Themen in der Werkstatt ROHLF
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Festschrift zur Orgelweihe im Paulusdom Münster am 22. September 2009, herausgegeben von der "Dommusik Münster"
Orgel und Liturgie
Das Orgelpositiv im Westchor
des hohen Doms zu Münster 

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Das Westchor-Positiv im Dom zu Münster ist ein Instrument, das weniger dazu bestimmt war, ein prunkvolles Ausstattungsstück des Doms zu sein, als vielmehr eine praktikable Orgel zum Ensemblespiel mit Sängern und Instrumenten.

So jedenfalls zeigt sich das Orgelgehäuse aus rustikalem, verwachsenem Eichenholz, das in wesentlichen Teilen aus seiner Ursprungszeit Mitte des 17. Jahrhunderts stammt. In diese Zeit gehören auch die zwei Register Gedackt 8’ und Holzprincipal 4’ aus dünnwandigem Eichenholz, im Diskant wohl vollständig und im Bassbereich teilweise original.

Eine besondere Rarität ist die ausgesprochen schön gearbeitete, historische Klaviatur von Buchsbaum  und Ebenholz. Sie stellt weiterhin einen ansprechenden Zugang zum Instrument her, den man gern berührt.

Vom tatsächlichen Leidensweg dieser Orgel ist uns sehr wenig bekannt. Zeitweise wurde sie mit Freude gespielt aber dann ohne Zweifel auch achtlos zur Seite geschoben, so dass sie verfiel. Später wieder aufgerichtet, wurde sie schließlich als altmodisch betrachtet und "modernisiert". An dem historischen Orgelgehäuse lässt sich ablesen, dass die Konzeption des Positivs danach mit seiner ursprünglichen Beschaffenheit nichts mehr zu tun hatte. Es war nicht mehr möglich, das Positiv aus seiner eigentlich praktisch angelegten Gestalt heraus zufriedenstellend zum Musizieren einzusetzen.

Die Wiederbelebung dieser Orgel hatte nicht zum Ziel, dass das rekonstruierte Instrument Musik des 16. und 17. Jahrhunderts authentisch wiedergeben kann. Sie wird heute fast täglich zur Vesper der Klarissen gespielt und soll auch bei unterschiedlichen kammermusikalischen Konzerten mitwirken.
Diese vor allem liturgischen Aufgaben, zusammen mit der vorgegebenen historischen Gestalt der Orgel, wiesen einen klaren Weg für ein neues sinniges Konzept, das zusammen mit Domorganist Thomas Schmitz entwickelt wurde und dessen klangliche Seite hier beschrieben wird.

An den Schmalseiten des "Lettnerpositivs" sind alte Durchgänge für Registerzüge zu finden, die Auskunft darüber geben, dass diese Orgel ursprünglich in Bass und Diskant geteilte Register hatte, im Bass deren sieben, im Diskant acht.
Weiter sagen diese Durchgänge, dass die Windlade für das Pfeifenwerk genügend hoch installiert war, um zwei Bälge für Fuß- oder Handbetrieb unterzubringen. Die größten Pfeifen waren liegend eingebaut, was durch einen historischen "Pfeifenstock" dokumentiert ist, der nun ohne Funktion als Beweisstück unter dem neuen Balg aufbewahrt wird. Diese ursprüngliche Konzeption wurde wahrscheinlich schon vor 1740, spätestens aber bei einer Sanierung des Instruments im Jahr 1960 verlassen. Durch eine unglückliche Windanlage wurde der Resonanzraum für das Pfeifenwerk erheblich reduziert und dem Klang der Schallaustritt ins Freie versperrt. 

Die neue Anlage nun im Jahr 2009 orientiert sich an der ursprünglichen Gestalt der Orgel mit einem qualitätvollen Wind und einem gesunden Klang. Ein "Wellenbrett" für alle 48 Tasten teilt das Pfeifenwerk in die akustisch günstige C- und Cis-Seite. Die Teilung der Klaviatur in Diskant und Bass für alle Register besorgen doppelte "Registerschleifen". Die altgedienten Tasten liegen mittels Stechern direkt auf den Tonventilen, wodurch der Orgelspieler einen unmittelbaren Einfluss auf die Tongebung, der Akustiker würde sagen auf den Einschwingvorgang der Pfeifen hat. Der Keilbalg (oder Froschmaulbalg) liegt heute wieder am ursprünglichen Ort unter der neuen Windlade von massivem Eichenholz. Das Windvolumen erzeugt eine spezielle geräuscharme Windmaschine. 
Das historische Orgelgehäuse ist höchst praktisch eingerichtet und erhält seine ursprüngliche Funktion zurück. In Form eines halbhohen Schrankes für das Musizieren zusammen mit Instrumenten und Chören angelegt, sitzt der Spieler quasi an der Rückseite des Positivs. Für den Klangaustritt existiert eine mit schönen schmiedeeisernen Bändern befestigte Klappe, welche das Instrument zu den Musikern hin öffnet. So ist das gesamte Pfeifenwerk im Inneren des Orgelschranks gut geschützt plaziert und dennoch gut zu hören und auch zum Stimmen bestens zugänglich. Diese ideale Konzeption ist ganz aus der Musizierpraxis heraus geboren.

Die beiden historischen Holzregister, Gedackt 8’ und Holzprincipal 4’ sind im Diskantbereich weitgehend unverändert. Im Bassbereich dagegen gab es mehrfache Veränderungen. Viele Pfeifen bekamen zu wenig Wind, und die Aufschnitthöhen hatten keinen Bezug zu den erwarteten Tonhöhen. Mit den nun richtigen Maßen sind zwei charmante Stimmen entstanden, die zusammen mit dem Salicional 8’ im Diskant einen mild streichenden Klang bekommen. Die neue Rohrflöte 4’ von Blei dagegen mit ihrer typischen Ansprache ist solofähig und klingt farbig und kernig. Zusammen mit dem Nasard 2 2/3’ entsteht ein hornartiger Klang. Für den Plenumklang sorgt die Octave 2’, und das Trompetenregal 8’ umschließt alle sechs Labialregister mit Farbe, Charakter und Kraft.

Der Auftrag zur Neukonzeption dieser kleinen Orgel war für unsere Werkstatt im Seitzental eine reizvolle Aufgabe, der wir uns mit Freude widmeten. Wir sind der Kirchengemeinde vom Dom zu Münster dankbar für das in uns gesetzte Vertrauen und wünschen sehr, dass das neu konzipierte Instrument im Aufgabenbereich der Domgemeinde rasch seinen Platz wiederfindet und gern zum Klingen gebracht wird.

Johannes Rohlf

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