Das Orgelpositiv im Westchor
des hohen Doms zu Münster
Das
Westchor-Positiv im Dom zu Münster ist ein Instrument, das
weniger dazu bestimmt war, ein prunkvolles Ausstattungsstück des
Doms zu sein, als vielmehr eine praktikable Orgel zum Ensemblespiel mit
Sängern und Instrumenten.
So jedenfalls zeigt sich das
Orgelgehäuse aus rustikalem, verwachsenem Eichenholz, das in
wesentlichen Teilen aus seiner Ursprungszeit Mitte des 17. Jahrhunderts
stammt. In diese Zeit gehören auch die zwei Register Gedackt
8’ und Holzprincipal 4’ aus dünnwandigem Eichenholz,
im Diskant wohl vollständig und im Bassbereich teilweise
original.
Eine besondere
Rarität ist die ausgesprochen schön gearbeitete, historische
Klaviatur von Buchsbaum und Ebenholz. Sie stellt weiterhin einen
ansprechenden Zugang zum Instrument her, den man gern berührt.
Vom tatsächlichen Leidensweg
dieser Orgel ist uns sehr wenig bekannt. Zeitweise wurde sie mit Freude
gespielt aber dann ohne Zweifel auch achtlos zur Seite geschoben, so
dass sie verfiel. Später wieder aufgerichtet, wurde sie schließlich als
altmodisch betrachtet und "modernisiert". An dem historischen
Orgelgehäuse lässt sich ablesen, dass die Konzeption des Positivs
danach mit seiner ursprünglichen Beschaffenheit nichts mehr zu tun
hatte. Es war nicht mehr möglich, das Positiv aus seiner eigentlich
praktisch angelegten Gestalt heraus zufriedenstellend zum Musizieren
einzusetzen.
Die
Wiederbelebung dieser Orgel hatte nicht zum Ziel, dass das
rekonstruierte Instrument Musik des 16. und 17. Jahrhunderts
authentisch wiedergeben kann. Sie wird heute fast täglich zur Vesper
der Klarissen gespielt und soll auch bei unterschiedlichen
kammermusikalischen Konzerten mitwirken.
Diese
vor allem liturgischen Aufgaben, zusammen mit der vorgegebenen
historischen Gestalt der Orgel, wiesen einen klaren Weg für ein neues
sinniges Konzept, das zusammen mit Domorganist Thomas Schmitz
entwickelt wurde und dessen klangliche Seite hier beschrieben wird.
An
den Schmalseiten des "Lettnerpositivs" sind alte Durchgänge für
Registerzüge zu finden, die Auskunft darüber geben, dass diese Orgel
ursprünglich in Bass und Diskant geteilte Register hatte, im Bass deren
sieben, im Diskant acht.
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Weiter sagen diese Durchgänge, dass die
Windlade für das Pfeifenwerk genügend hoch installiert war, um zwei
Bälge für Fuß- oder Handbetrieb unterzubringen. Die größten Pfeifen
waren liegend eingebaut, was durch einen historischen "Pfeifenstock"
dokumentiert ist, der nun ohne Funktion als Beweisstück unter dem neuen
Balg aufbewahrt wird. Diese
ursprüngliche Konzeption wurde wahrscheinlich schon vor 1740,
spätestens aber bei einer Sanierung des Instruments im Jahr 1960
verlassen. Durch eine unglückliche Windanlage wurde der
Resonanzraum für das Pfeifenwerk erheblich reduziert und dem Klang
der Schallaustritt ins Freie versperrt.
Die neue Anlage nun im Jahr 2009 orientiert sich an der
ursprünglichen Gestalt der Orgel mit einem qualitätvollen
Wind und einem gesunden Klang. Ein "Wellenbrett" für alle 48
Tasten teilt das Pfeifenwerk in die akustisch günstige C- und
Cis-Seite. Die Teilung der Klaviatur in Diskant und Bass für alle
Register besorgen doppelte "Registerschleifen". Die altgedienten Tasten
liegen mittels Stechern direkt auf den Tonventilen, wodurch der
Orgelspieler einen unmittelbaren Einfluss auf die Tongebung, der
Akustiker würde sagen auf den Einschwingvorgang der Pfeifen hat.
Der Keilbalg (oder Froschmaulbalg) liegt heute wieder am
ursprünglichen Ort unter der neuen Windlade von massivem
Eichenholz. Das Windvolumen erzeugt eine spezielle geräuscharme
Windmaschine.
Das historische Orgelgehäuse ist höchst praktisch
eingerichtet und erhält seine ursprüngliche Funktion
zurück. In Form eines halbhohen Schrankes für das Musizieren
zusammen mit Instrumenten und Chören angelegt, sitzt der Spieler
quasi an der Rückseite des Positivs. Für den Klangaustritt
existiert eine mit schönen schmiedeeisernen Bändern
befestigte Klappe, welche das Instrument zu den Musikern hin
öffnet. So ist das gesamte Pfeifenwerk im Inneren des
Orgelschranks gut geschützt plaziert und dennoch gut zu hören
und auch zum Stimmen bestens zugänglich. Diese ideale Konzeption
ist ganz aus der Musizierpraxis heraus geboren.
Die beiden historischen Holzregister, Gedackt 8’ und
Holzprincipal 4’ sind im Diskantbereich weitgehend
unverändert. Im Bassbereich dagegen gab es mehrfache
Veränderungen. Viele Pfeifen bekamen zu wenig Wind, und die
Aufschnitthöhen hatten keinen Bezug zu den erwarteten
Tonhöhen. Mit den nun richtigen Maßen sind zwei charmante
Stimmen entstanden, die zusammen mit dem Salicional 8’ im Diskant
einen mild streichenden Klang bekommen. Die neue Rohrflöte
4’ von Blei dagegen mit ihrer typischen Ansprache ist
solofähig und klingt farbig und kernig. Zusammen mit dem Nasard 2
2/3’ entsteht ein hornartiger Klang. Für den Plenumklang
sorgt die Octave 2’, und das Trompetenregal 8’
umschließt alle sechs Labialregister mit Farbe, Charakter und
Kraft.
Der Auftrag zur Neukonzeption dieser kleinen Orgel war für unsere
Werkstatt im Seitzental eine reizvolle Aufgabe, der wir uns mit Freude
widmeten. Wir sind der Kirchengemeinde vom Dom zu Münster dankbar
für das in uns gesetzte Vertrauen und wünschen sehr, dass das
neu konzipierte Instrument im Aufgabenbereich der Domgemeinde rasch
seinen Platz wiederfindet und gern zum Klingen gebracht wird.
Johannes Rohlf
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