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Festschrift Bamberg zur Einweihung am 13. März 2005, herausgegeben vom Kath. Pfarramt St. Urban.

St. Urban zu BambergDie neue Orgel fürDruckversion 61 kB
St. Urban in Bamberg 

Die vollkommene geometrische Gestalt ist eine Kugel. Ihre ungeteilte Oberfläche umspannt bei geringst möglichen Ausmaßen das größte Volumen. Diese Vollkommenheit der alles in sich vereinenden Form empfindet man auch beim Betrachten des Pantheons in Rom, das aus der Kugelform heraus gestaltet ist, ein Kuppelbau mit immerhin 43 m Durchmesser und Höhe. Verwandt der Kugel, aber näher dem Bauen mit unseren Mitteln ist der Würfel, ein allseits gleichgroßer Quader, also ein Hexaeder, mit ebenfalls großem Volumen bei geringen Außenmaßen.

Der exakte Würfel ist nicht die geometrische Grundform des Kirchenbaus von St. Urban, doch spielt die Ausdehnung des Raumes in die Höhe, nach Ost und West, Nord und Süd mit dem Würfel- also dem Kugelgedanken, weshalb man beim Betreten der Kirche und beim Bewegen im Kirchenraum den Eindruck einer bestimmenden Geschlossenheit und Weite mit harmonischen Maßen erfährt. Es verstand sich von selbst, dass wir mit dem Orgelentwurf diese Strenge und Gesetzmäßigkeit fortführten. Bedingungen, die durch das Instrument selbst, durch eine akustisch günstige Pfeifenaufstellung diktiert werden, ließen sich mit der Raumarchitektur bestens zusammenführen.

Die für die Orgel vorbestimmte Emporentiefe ist knapp bemessen aber doch gerade ausreichend für die gewünschte Registerzahl. Das Orgelgehäuse mit geringer Tiefe begünstigt die Klangabstrahlung und verschafft dem Einzelregister ein hohes Maß an Präsenz. Voraussetzung sind ausreichend Breite und Höhe, woran es im Raum und am Orgelstandort nicht mangelt.

Eine Orgel mit bemessener Registerzahl, geringer Bautiefe aber dafür möglichst großer Breite entspricht einer Konzeption, die schon im frühesten Orgelbau verfolgt wurde. Die Verwandtschaft zum gotischen Orgelgehäuse ist somit vorgegeben. Sie wird durch die überhöhten Türme mit ihren luftig durchbrochenen „Hüten“ unterstrichen. 
Die tiefsten 15 Pfeifen in den Türmen stehen in kleinen Terzen nebeneinander, die Pfeifen der Zwischenfelder in großen Terzen. Das betrifft natürlich nicht nur den Principal 8’ im Prospekt, sondern ebenso die Pfeifen der restlichen 16 Pfeifenreihen im Orgelinneren. Manche Register sind gleichzeitig im Hauptwerk und im Pedal frei verfügbar, weshalb die Orgel 21 Register, gewonnen aus 17 Pfeifenreihen, zählt.

Die Registerzahl und die Abmessungen entscheiden nicht über die Klangqualität einer Orgel. Wohl aber ist die Registerzahl, zusammen mit der Bauart der gewählten Register, den Maßen im Einzelnen und Gesamten typbestimmend und führt den Organisten zu entsprechender Orgelliteratur. Manche Kompositionen kommen besonders gut auf kleinen, einmanualigen Instrumenten mit sensiblem, präsentem Klang zur Geltung, andere benötigen den großen, durch viele Register sich ergebenden, symphonischen Klang im weiten Raum einer Kathedrale. Jeder Orgeltyp hat seine eigene Geschichte. Eine Orgel benötigt aber letztlich nicht mehr als einen Tastenumfang von vier Oktaven und zwei oder drei gesunde, sprechende 8-fuß Register, um liturgietauglich zu sein.

Auf keinem Instrument kann gleichermaßen authentisch Musik des Barock und der Neuzeit, oder der Renaissance und des 19. Jahrhunderts dargestellt werden. Was das Instrument zulässt, klingt aber umso überzeugender, je charaktervoller es ist, je eindeutiger es durch prägnant klingende Einzelstimmen einer bestimmten Kulturepoche zugeordnet werden kann.

Wollte man die Pfeifenorgel allgemeingültig beschreiben, dann muss das einzelne Instrument als Mosaikstein unter vielen anderen Mosaiksteinen gesehen werden, welche erst alle miteinander das vollständige Orgelbild ergeben.

Ihrer räumlichen Ausdehnung wegen ist es gegeben, dass ein Orgelinstrument die Innenarchitektur eines Kirchenraumes tangiert, in eine Beziehung zu ihr tritt. Wenn es nun so ist, dass die Güte eines Orgelinstruments nicht durch seine Registerzahl und durch seine musikalische Ausrichtung bestimmt wird, dann ist es in hohem Maße gerechtfertigt und zu wünschen, dass mit einem Orgelneubau eine Synthese zwischen Raum und Instrument hergestellt wird. Der Synthese Raum - Instrument erwächst die Synthese Raum - Instrument - musikalische Darstellung. Es ist immer wieder faszinierend, zu erleben, wie Organisten, die immer wieder andere Gesamtsituationen „Raum / Instrument“ vorfinden, diese erkennen und mit ihrer Musik vollenden.

Die „Bamberger Dommusik“ erfreut sich eines Organisten und Experten, der mit seiner weiten Sicht, seiner Ernsthaftigkeit der Sache gegenüber und seiner begnadeten Musikalität wegen dies alles bedenkt. So konnte für die Filialkirche St. Urban eine mit Gespür erarbeitete Orgellösung entstehen, welche die räumlichen Möglichkeiten mit Einfühlung und klaren Ideen nutzt.

Obschon maximal nur 17 Pfeifenreihen möglich (jeder Organist wünschte sich mehr), von der Kostenseite her betrachtet eine Obergrenze, sollte eine Orgel entstehen, die besonders die Wiedergabe von Orgelliteratur des 18. bis frühen 19. Jahrhunderts ermöglicht.
Mit der ausgeführten Disposition, der Zusammenstellung der Register und ihre Verteilung auf die Werke, also die Klaviaturen, wird die klangliche Seite der Orgel genau beschrieben. Sie ermöglicht durch den Gebrauch von Einzelstimmen und Mischungen eine Fülle von unterschiedlichen Klängen.

Die Zuordnung der Register zu den „Werken“ Hauptwerk, Positiv und Pedal, alle drei auf einer Windlade untergebracht, resultiert auch aus der zur Verfügung stehenden Fläche auf der Windlade und der Verteilung der Tonventile unter ihr. Auffällig eben z.B. die Zuordnung der Trompete 8’ zum II. Manual.

Aber der Reihe nach:
Da gibt es zunächst das Klanggerüst der Principale im Hauptwerk: Principal 8’, Octave 4’, Octave 2’ und Mixtur. Die zylindrisch-offenen Metallpfeifen der Principale produzieren den typischen, sehr farbigen Orgelklang, der mit seinem reichen Obertonaufbau vieles beinhaltet, vom dunklen, flötigen bis zum hellen, streichenden Klang.
Dem steht im II. Manual, dem Positiv, ein geschlossener Flötenchor gegenüber mit Quinte 2 2/3’, der Terz 1 3/5’ und der Sifflöte 1’ als Klangkrone. Vielseitig einsetzbares Grundregister des Positivs ist die Rohrflöte 8’ von Blei. Sie trägt, begleitet, spielt gern Solo und verbindet jede Mischung.
Das labiale Bassregister der Orgel, Bordun bzw. Subbaß 16’ kann nach Belieben dem HW und / oder dem Ped. zugeordnet werden. Aus Platzgründen ist es nicht von Holz, sondern von Blei gemacht.
Das stillste Register der Orgel ist das Gedackt 8’. Hier in italienischer Manier von Kastanienholz, klingt es gar nicht aufdringlich und ist trotzdem weit zu hören, sehr tragfähig und ideal zum Begleiten.

Auch ein gedecktes Register, allerdings von Metall, ist die Quintade 8’. Obschon nur eine Pfeifenreihe, klingt sie wie eine Mischung von Registern mit Grundstimme und Obertonstimmen. Besonders deutlich ist die Quinte zu hören, was durch einen um 1/3 verminderten Aufschnitt der Pfeifen erreicht wird. In der Folge produziert sie eine sehr markante Ansprache. Es war uns eine Freude, diesen besonderen Wunsch Ihres Domorganisten in die Tat umzusetzen. Ein weiteres Anliegen, eine Zungenstimme für das I. Manual, konnten wir durch den Bau einer separaten kleinen Windlade hinter dem Notenpult realisieren. Diese Zunge, hier Vox humana 8’ genannt, musste der Platzverhältnisse wegen „kurzbechrig“ sein.
Festschrift St. Urban zu Bamberg Rückseite
Zum Erreichen eines gesunden, lebendigen Klanges ist über die Wahl der Materialien, der Bauart und Maße der Pfeifen hinaus die handwerkliche Ausführung derselben und schließlich die Ausarbeitung bei der Intonation von großer Bedeutung. Unser aller Gehör unterscheidet ein zehnfaches an Nuancen gegenüber dem Auge. Aus diesem Grund hört man auch jeden Handgriff, der zu wenig aber auch zu viel  geleistet wurde. So können wir im Planen mit Rechnerhilfe und dem Vorbereiten mit modernen Maschinen Zeit sparen, nicht aber in der Ausarbeitung eines jeden Orgelteils, das jedes in seiner Art an der Klangentstehung beteiligt ist.

An der Klangqualität wesentlich beteiligt ist natürlich die Güte des Orgelwindes. Die Luft wird mittels eines elektrischen Gebläses in einen Keilbalg (Froschmaulbalg) geblasen, der hinter der Orgel aufgebaut ist. Von dort führt ein Windkanal geradewegs mitten in die Windlade hinein. An diesem Kanal sind drei unterschiedliche Tremulanten (Kanal-, Bock- und Expansionstremulant) installiert, welche den Wind in Bebung versetzen können.

Für den Bau aller Einzelteile der neuen Orgel für St. Urban in Bamberg wurden ausschließlich natürliche Materialien verwendet wie: gewässertes Eichenholz aus dem Schönbuch für das Gehäuse, die Windladen, die Mechanik, die Bälge, Kastanien-, Fichten- und Birnenholz für die Pfeifen des Gedecktregisters und der Flöte 4´ im Brustwerk, für die Abstrakten und die Tasten, Buchsbaum und Ebenholz für die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Pfeifen und verschiedene Halbzeuge wie Darmsaiten, Draht und Schrauben von Messing, Vierkant-Eisenrohr für Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und manches andere. Sie wurde gänzlich in unserer Seitzentaler Werkstatt von den Orgelbauern Manfred Zeller, Hans-Peter Eckert, Mathias Jung, Tobias Merkle, Tudor Roberts, Thomas Dehmel, Winfried Kirchfeld, Sebald Endner, Alexander Seyfried und Johannes Rohlf in rund 4.750 Arbeitsstunden gebaut.

Wir sind der Katholischen Kirchengemeinde der Filialkirche St. Urban in Bamberg sehr dankbar und verbunden für das geschenkte Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue Orgel in St. Urban ganz selbstverständlich in das musikalische Leben der Gemeinde hineinwächst.

Johannes Rohlf
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