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Festschrift
Uttenreuth zur Einweihung am 12. Mai 1996, herausgegeben
von der Kath. Pfarrgemeinde St. Kunigunde Uttenreuth.
Die neue Orgel der Kath. Kirche St. Kunigunde in Uttenreuth
Bei der Planung einer neuen Orgel geht es neben der klanglichen Bewältigung der Kirchenraumakustik und der Anlage der Technik des Instruments stets ebenso um stilistische Fragen bezüglich der Architektur des Raumes und Charakteristik des Orgelklanges. Jede Orgel hat eine individuelle Gestalt, die in aller Regel allein schon durch die Verhältnisse des Aufstellungsraumes mitbestimmt ist. Kirchenraum und Budget ergaben den Rahmen für die Entwicklung des klanglichen Konzepts der neuen Orgel für St. Kunigunde. Sie soll künftigen Aufgaben im sonntäglichen Gottesdienst gerecht werden und auch Kirchen- und Orgelkonzerte ermöglichen. Es ist durchaus nicht selbstverständlich
und für die Sache Orgel ein Glücksfall, daß die Kath. Kirchengemeinde
in Uttenreuth bei der Orgelplanung nicht modischen Strömungen folgte,
daß sie möglichst viele planerische Facetten bedachte und dazu
kompetente Sachberatung einholte.
Bis zum Beginn des 20. Jahrh.
war die begehrenswerteste Orgel diejenige, welche mit der modernsten Steuerungstechnik
ausgestattet war. Die Industrialisierung hatte diesen Trend gefördert.
Ohne Ende konnte die Orgel nun vergrößert werden und wuchs zu
einer gigantischen Musikmaschine heran.
Als beispielhaft wurden in diesem Zusammenhang Namen genannt wie die Elsässer Silbermänner oder Cavaillé-Coll. So wurde der Blick zurückgelenkt, um früher gesammelte Erfahrungen des klassischen Orgelbaus wiederzufinden. Das zurückzugewinnende Gut wurde nun aber viel stärker in stilistischen Konzepten, als in instrumentengemäßer Fertigungsweise gesucht, wodurch die Rückwendung zum klassisch-handwerklichen Orgelbau gleichbedeutend mit Zuwendung zur "Barockorgel" wurde. Sicher gilt zugleich die Beobachtung, daß die Klangfarben, die Register der pneumatischen und elektrischen Orgel von etwa 1880 an zunehmend in der Äquallage (Normallage, a´ = 440 Hz) disponiert wurden, vorrangig mit fein gestaffelten Lautstärkeunterschieden statt mit einer Ausprägung ihrer Klangcharakteristik. Diese Entwicklung verhinderte immer mehr die Möglichkeit, obertonreiche und charakteristische, auf die Bauart der Orgelregister bezogene Klänge zu hören. Sie waren aus den zu erfahrenden Orgelklangerlebnissen ausgeklammert. Das fortgesetzte Negieren dieser klanglichen Möglichkeiten ließ ein Vakuum entstehen, so daß durch die Zuwendung zur sogenannten Barockorgel ab etwa 1920 überspitzt Aliquotregister (hoch liegende Register aus der Reihe der natürlichen Obertöne) gebaut wurden und dazu aus bisher noch nicht erklärbaren Gründen mit niedrigen Aufschnitten und kernstichlos intoniert wurde. Somit hatte die Rückwendung zum klassisch-handwerklichen Orgelbau eine Tendenz erhalten,
welche den Blick für die mögliche Vielfalt in den Orgelregistern
verstellte.
Die stilistische Ausrichtung
der neuen Orgel für St. Kunigunde wurde schließlich in der Zeit
zwischen 1850 und 1900 angesiedelt, mit deutlicher Blickrichtung nach Frankreich.
Anders, als dies bei den führenden Orgelbauern in Deutschland der Fall war, welche ihre Aufmerksamkeit neben der Suche von neuen Klängen vor allem auch neuen technischen Erfindungen widmeten, sah Aristide C.C. vorrangig die ungelösten Orgelprobleme bezüglich einer akustischen Beherrschung der großen Kathedralen in Frankreich. Noch bevor er 1850 von seinem Vater Dominique das Geschäft übernahm, hatte er ein Ventil zur Winddrosselung erfunden (Drosselventil), welches es ihm ermöglichte, seine Idee einer Orgel, die mit unterschiedlichen Winddrücken versorgt wird, zu verwirklichen. Er entdeckte und baute die in die Oktave überblasenden Register wieder, baute enge Streicher, weite Flöten und kraftvolle Zungenstimmen. Im Vergleich seiner eigenen Instrumente mit denen anderer Orgelbauer sah er vordergründig den Vorteil seines neuen Windsystems. Besonders wichtig ist ihm aber die Zugänglichkeit im Orgelinneren zum Regulieren der Mechanik und zum Stimmen des Pfeifenwerks. Dazu gibt es aus seiner Feder z.T. recht drastische Bemerkungen, welche er anläßlich seiner Europareise im Jahr 1844 seinem Vater brieflich übermittelte. So besuchte er Monsieur Friedrich Haas in Zürich und seine neue Orgel in der reformierten Kirche, um hernach zu berichten: "Die Orgel läßt in der Vollkommenheit nichts zu wünschen übrig. Aber alles ist zu gut, als daß es nicht noch besser sein könnte. Alle Orgeln, die ich bisher gesehen habe, kranken an der Lunge. In dieser Orgel, die eine Menge Register enthält, gibt es eine einzige Manualtrompete, und die ist sehr schwach und sehr mager." Von seinem Besuch der großen
Walcker-Orgel am 10. Oktober in Frankfurt a.M. schreibt er:
Aristide C.C. sah damals in Deutschland weder Orgeln von Philipp Furtwängler noch von Wilhelm Sauer. Wie das "forschende Genie" Walcker suchten schließlich aber alle bedeutenden deutschen Orgelbauer neue Funktionssysteme und stießen nach der mechanischen Kegellade auf die Pneumatik und Elektrik. Aristide Cavaillé-Coll dagegen blieb bis an sein Lebensende der mechanisch gesteuerten Schleiflade treu. Bei großen Orgeln freilich erleichterte er den Organisten die Tastenarbeit durch den Einbau der Barker-Maschine. Wenn man bedenkt, daß bei Orgelbauern wie Walcker oder Cavaillé-Coll im Jahr ohne weiteres 200 bis 300 Register gebaut wurden und ein Instrument wie in St. Paul, Frankfurt a.M. 75 Register haben konnte, dann muß man in dieser Entwicklung den Beginn fabrikmäßiger Fertigung sehen, die ganz natürlich durch die Hinwendung zur Vielzahl von Registern, von Klangschattierungen, eine Wertminderung der Einzelstimme, des einzelnen Registers zur Folge hat. Aristide C.C. hat aber immer mit besonderem Engagement über den Klang und die akustischen Phänomene bei der Tonbildung gewacht. Im Jahr 1996 sieht man nun, wie seit der Jahrhundertwende Orgelfragen weiterbehandelt wurden, welche Erfahrungen und Kenntnisse uns die Zeit lehrte und welcher Bedarf zu welchen neuen Fragen führte. Das Wissen um die Möglich- und Unmöglichkeiten bei neuen Orgelkonzepten wächst von Jahr zu Jahr. Wohin der Weg führt, kann niemand sagen. Aber wir Orgelbauer werden uns nicht darin beirren lassen, stets eine Übereinstimmung zu suchen zwischen technischer und klanglicher Sensibilität ebenso wie zwischen planerischer Ökonomie und handwerklicher Ästhetik. Für den Bau der neuen
Uttenreuther
Orgel, in allen Einzelteilen in der Seitzentaler
Werkstatt hergestellt, wurden insgesamt etwa 5.900 Arbeitsstunden geleistet.
Das bedeutete mehr als ein halbes Jahr Arbeit und Existenz für die
sieben Orgelbauer Manfred Zeller, Hans-Peter Eckert, Mathias Jung, Friedemann
Seitz, Tudor Roberts, Tobias Merkle, Johannes Rohlf und ihre Familien.
Johannes Rohlf
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