Themen in der Werkstatt ROHLF
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Festschrift Stegaurach zur Einweihung am 27. November 2005, herausgegeben vom Förderverein Neue Orgel Stegaurach e.V.
Festschrift zur Weihe der neuen Orgel in der Pfarrkirche StegaurachDruckversion 61 kB
Festschrift zur OrgelweiheDie Ästhetik einer Pfeifenreihe.
Orgelbau als Gemeinschaftswerk.
Altes Pfeifenwerk in einer neuen Orgel.

In gleicher Weise, in der sich Kirchenräume unterscheiden, unterscheiden sich Orgelinstrumente. Geht man dem Orgelgebilde jedoch auf den Grund, zeigt sich das immer wiederkehrende Prinzip: Ein künstlich erzeugter Wind, der über eine durch den Organisten gesteuerte technische Anlage zu den Pfeifen geführt wird. Und an diesem Prinzip üben sich Orgelbauer und Organisten seit mehr als zweitausend Jahren. Die technische Anlage, die zwischen dem eigentlichen Klang gebenden Instrument, den Flöten oder Pfeifen, und dem Orgelspieler steht, war Voraussetzung aber auch Anstoß, das Instrument, von nicht einmal mannshohen Anfängen bis ins Überdimensionale wachsen zu lassen. Ursprünglich Freiluft- und Hausinstrument, fanden Musik ausübende Mönche großes Interesse an der musiktheoretischen Seite der Orgel, welche beste Möglichkeiten bietet, mit ihren unterschiedlich langen resonierenden Röhren Tonhöhenunterschiede sichtbar zu machen. Anders als bei der Saite ist die Rohrlänge beim gleichen Ton unveränderlich die gleiche. Darüberhinaus entdeckten sie die phantastische  Wirkung des Orgelklangs in romanischen und gotischen Kirchen. Diese herrlichen, frühen Kirchenräume und die Orgel mussten sich eines Tages finden, und so war der weitere instrumentenbauliche Werdegang durch die Verbindung mit der christlichen Religion vorgezeichnet.

Einstimmig und mit einfachen Intervallen gespielt, war es akustisch unproblematisch, die Pfeifen chromatisch nebeneinanderzustellen.
Der Halbtonschritt nach oben entspricht einer Verkürzung der Pfeife von zwölfter Wurzel aus zwei. Dieser Wert wird immer am vorausgegangenen Ton, an der Länge der vorausgegangenen Pfeife abgezogen, weshalb die realen Schritte immer kleiner werden. Pfeifenlängen werden innerhalb einer Octave, also nach zwölf Schritten genau halbiert, nicht aber die Durchmesser der Pfeifen. Die verändern sich nach zwölf Halbtonschritten etwa im Verhältnis 11:7, 8:5 oder 5:3. Stehen die Pfeifen genau nebeneinander, ergeben die Pfeifenmündungen die wunderbare Schweifung der Harfe. Durch die sich verjüngenden Pfeifendurchmesser und stete Verkleinerung der Abstände tritt zugleich die optische Täuschung einer Tiefenperspektive ein. Eine Reihe von Orgelpfeifen mit den sich so verändernden Maßen hat eine derart starke optische Wirkung, dass man geneigt ist, die sich dahinter verbergende akustische Seite zu vernachlässigen. Es zeigt sich jedoch, dass beim Benutzen kleiner Tonschritte diese optisch ansprechende Pfeifenreihung bzw. -aufstellung akustische Probleme bereitet. Denn die zu ähnlichen und dennoch unterschiedlichen Frequenzzahlen der schwingenden Luft gleichzeitig gespielter Töne führt zu hörbaren akustischen Differenzen.

Mit der Erfahrung dieser Problematik wusste man sich schon früh zu helfen und ersann bereits im 14. Jahrhundert eine Mechanik, das Wellenbrett, welche einen räumlichen Abstand zwischen den streitenden Frequenzen herstellte. Die Pfeifen wurden nicht mehr chromatisch, sondern in Ganztonschritten nebeneinander gestellt, getrennt in eine linke (C) und eine rechte (Cis) Seite. Die Orgelkompositionen wurden dichter und mehrstimmiger, so dass die befriedende Distanz zwischen den kämpfenden Luftschwingungen noch weiter vergrößert werden musste. Jede der beiden Seiten wurde nochmals geteilt, wodurch nun die Pfeifen, spätestens im 17. Jahrhundert, in großen Terzen nebeneinander stehen, und das tun sie bei einer wohlklingenden Orgel bis zum heutigen Tag. Würden nun die Terzfelder der linken und der rechten Seite direkt nebeneinander plaziert sein, stünden wiederum Ganztöne oder sogar Halbtöne im gleichen Resonanzraum. Aus diesem Grund werden  Pfeifen der großen Oktave, der Bassregion zwischen diese Felder gestellt.

Diese akustischen Erfahrungen im Gepäck, kann man nun beurteilen, ob dem Entwurf eines Orgelprospektes, also dem Gestaltungskonzept allein architektonische Aspekte zugrunde liegen oder ebenso auch der Klang verantwortungsbewusst geplant wurde.

Der Orgelentwurf für die Kath. Pfarrkirche Stegaurach hat mehrere Väter. Vornan stehen die Wünsche der Kirchenmusiker und die Möglichkeiten der Gemeindekasse. Danach folgen innernarchitektonische Anliegen, welche die klanglichen Wünsche und Erfordernisse beinhalten. So entstand der Entwurf für den Orgelprospekt in Zusammenarbeit mit Ihren Organisten und dem Orgelsachverständigen der Erzdiözese, dem Förderverein Neue Orgel Stegaurach e.V., dem Architekten und dem Orgelbauer, wobei dann vor allem letzterer das Instrument vertritt und klar sehen und sagen muss, was man mit einer Orgel machen darf und was der Sache nicht dienlich ist.
Denn es geht nicht darum, den Wunsch eines Einzelnen zu erfüllen, sondern an dem ganz bestimmten Ort in diesem Kirchenraum ein klangschönes, funktionstüchtiges Instrument zu bauen, das trotz seiner spezifischen Ausrichtung einen für viele gültigen und möglichst überdauernden Wert hat.

Mit unserem ersten Entwurf versuchten wir, im Orgelkonzept einen vielfach gewünschten „Schwellkasten“ zu integrieren. In der Folge zeigte der Orgelprospekt im Verhältnis zu seiner Fläche relativ wenig Pfeifenwerk und viele Orgelregister wären durch ihren Standort innerhalb des Schwellkastens nur indirekt zu hören gewesen. Die Anregung Ihres Orgelsachverständigen verwandelte das Schwellwerk zum Oberwerk. Dieser Gedanke fand sofort ringsherum Zustimmung, nicht zuletzt beim Orgelbauer. So, wie das Oberwerk gestalterisch in Erscheinung tritt, bietet es auch klanglich gegenüber dem Hauptwerk eine präsente Balance. Der nächste Entwurf mit Oberwerk war klassisch gegliedert und streng symmetrisch. Das rief die Stimme des Architekten auf den Plan, der diesen großen Orgel-Baukörper, der seitlich der Raummittelachse seinen Standort erhält, lieber ruhig gegliedert mit ungleichem gestalterischen Gewicht sehen wollte. Dieses Anliegen war mühelos nachzuvollziehen, und so suchten wir nun gemeinsam nach einer Asymmetrie, welche den Klang und die Technik der Orgel nicht stört und verschlechtert. Das Ergebnis wurde von allen an der Entscheidung Mittragenden gern akzeptiert, ging es doch jedem, wenn auch jeweils aus anderer Perspektive, allein um das Instrument.

Für den Bau aller Einzelteile der neuen Orgel für die Pfarrkirche in Stegaurach wurden ausschließlich natürliche Materialien verwendet wie: gewässertes Eichenholz aus dem Schönbuch für das Gehäuse, die Windladen, die Mechanik und den Balg, Kastanienholz für das Gedecktregister im Oberwerk, Fichtenholz für die Abstrakten und die Tasten, Buchsbaum und Ebenholz für die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Pfeifen und verschiedene Halbzeuge wie Darmsaiten, Draht und Schrauben von Messing, Vierkant-Eisenrohr für Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und manches andere.
In der Disposition ist erwähnt, dass einige Register der neuen Orgel aus Burgwindheim stammen. Diese hatte Orgelbauer Josef Bittner aus Eichstett 1909 samt einer neuen Technik in ein barockes Orgelgehäuse eingebaut. Bittner war ein sehr erfahrener Orgelbauer. Er arbeitete mit gutem Material, weshalb es lohnend war, einen ausgesuchten Teil dieses Pfeifenwerks durch den Einbau in die neue Stegauracher Orgel zu erhalten.

Vergleicht man den Klang alten Pfeifenwerks mit dem Klang neu gebauter Pfeifen, erlebt man immer wieder einen Charme der betagten Stimmen, den ein neues Register in seiner Jugend und Unreife noch nicht in der Lage ist zu entwickeln. In welcher Weise die Zeit diese günstige Klangveränderung bewirkt, ist heute noch nicht zu erklären. Beim Resonanzverhalten von Fichtenholz im Geigenbau wurden mittels einer Lichtmethode Veränderungen durch Dauerbeschallung im Material sichtbar gemacht, die sich positiv auf den Klang auswirken.

Der Klang der Orgelpfeife wird aber nicht nur durch das Material bestimmt, sondern ebenso durch die baulichen Maße im Labiumbereich und durch die Struktur der Kernspalte im Mikrobereich. So ist zu vermuten, dass einmal die kräftige Wirkung der Schallwellen das Material molekular verändern und zum anderen eine durch den Windfluss in bestimmter Weise gesteuerte Oxidation an Kern und Unterlabium eine Klangveränderung bewirken. Man kann auch anders betrachtet sagen, dass es verwunderlich wäre, wenn genannte Einflüsse keine Veränderung verursachen würden. So oft wir jedenfalls altes Pfeifenmaterial einsetzten, wurde Klangschönheit dazugewonnen.

Festschrift Rückseite
Alle Arbeiten wurden gänzlich in unserer Seitzentaler Werkstatt von den Orgelbauern Manfred Zeller, Hans-Peter Eckert, Mathias Jung, Tobias Merkle, Tudor Roberts, Thomas Dehmel, Winfried Kirchfeld, Sebald Endner, Alexander Seyfried und Johannes Rohlf in rund 5.900 Arbeitsstunden ausgeführt.
Wir sind der Katholischen Pfarrkirchengemeinde Stegaurach sehr dankbar und verbunden für das geschenkte Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue Orgel ganz selbstverständlich in das musikalische Leben der Gemeinde hineinwächst und es feierlich begleitet. 

Johannes Rohlf, November 2005

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