Die
Ästhetik einer Pfeifenreihe.
Orgelbau als Gemeinschaftswerk.
Altes Pfeifenwerk
in einer neuen Orgel.
In gleicher Weise, in der
sich Kirchenräume unterscheiden, unterscheiden sich Orgelinstrumente.
Geht man dem Orgelgebilde jedoch auf den Grund, zeigt sich das immer wiederkehrende
Prinzip: Ein künstlich erzeugter Wind, der über eine durch den
Organisten gesteuerte technische Anlage zu den Pfeifen geführt wird.
Und an diesem Prinzip üben sich Orgelbauer und Organisten seit mehr
als zweitausend Jahren. Die technische Anlage, die zwischen dem eigentlichen
Klang gebenden Instrument, den Flöten oder Pfeifen, und dem Orgelspieler
steht, war Voraussetzung aber auch Anstoß, das Instrument, von nicht
einmal mannshohen Anfängen bis ins Überdimensionale wachsen zu
lassen. Ursprünglich Freiluft- und Hausinstrument, fanden Musik ausübende
Mönche großes Interesse an der musiktheoretischen Seite der
Orgel, welche beste Möglichkeiten bietet, mit ihren unterschiedlich
langen resonierenden Röhren Tonhöhenunterschiede sichtbar zu
machen. Anders als bei der Saite ist die Rohrlänge beim gleichen Ton
unveränderlich die gleiche. Darüberhinaus entdeckten sie die
phantastische Wirkung des Orgelklangs in romanischen und gotischen
Kirchen. Diese herrlichen, frühen Kirchenräume und die Orgel
mussten sich eines Tages finden, und so war der weitere instrumentenbauliche
Werdegang durch die Verbindung mit der christlichen Religion vorgezeichnet.
Einstimmig und mit einfachen
Intervallen gespielt, war es akustisch unproblematisch, die Pfeifen chromatisch
nebeneinanderzustellen.
Der Halbtonschritt nach
oben entspricht einer Verkürzung der Pfeife von zwölfter Wurzel
aus zwei. Dieser Wert wird immer am vorausgegangenen Ton, an der Länge
der vorausgegangenen Pfeife abgezogen, weshalb die realen Schritte immer
kleiner werden. Pfeifenlängen werden innerhalb einer Octave, also
nach zwölf Schritten genau halbiert, nicht aber die Durchmesser der
Pfeifen. Die verändern sich nach zwölf Halbtonschritten etwa
im Verhältnis 11:7, 8:5 oder 5:3. Stehen die Pfeifen genau nebeneinander,
ergeben die Pfeifenmündungen die wunderbare Schweifung der Harfe.
Durch die sich verjüngenden Pfeifendurchmesser und stete Verkleinerung
der Abstände tritt zugleich die optische Täuschung einer Tiefenperspektive
ein. Eine Reihe von Orgelpfeifen mit den sich so verändernden Maßen
hat eine derart starke optische Wirkung, dass man geneigt ist, die sich
dahinter verbergende akustische Seite zu vernachlässigen. Es zeigt
sich jedoch, dass beim Benutzen kleiner Tonschritte diese optisch ansprechende
Pfeifenreihung bzw. -aufstellung akustische Probleme bereitet. Denn die
zu ähnlichen und dennoch unterschiedlichen Frequenzzahlen der schwingenden
Luft gleichzeitig gespielter Töne führt zu hörbaren akustischen
Differenzen.
Mit der Erfahrung dieser
Problematik wusste man sich schon früh zu helfen und ersann bereits
im 14. Jahrhundert eine Mechanik, das Wellenbrett, welche einen räumlichen
Abstand zwischen den streitenden Frequenzen herstellte. Die Pfeifen wurden
nicht mehr chromatisch, sondern in Ganztonschritten nebeneinander gestellt,
getrennt in eine linke (C) und eine rechte (Cis) Seite. Die Orgelkompositionen
wurden dichter und mehrstimmiger, so dass die befriedende Distanz zwischen
den kämpfenden Luftschwingungen noch weiter vergrößert
werden musste. Jede der beiden Seiten wurde nochmals geteilt, wodurch nun
die Pfeifen, spätestens im 17. Jahrhundert, in großen Terzen
nebeneinander stehen, und das tun sie bei einer wohlklingenden Orgel bis
zum heutigen Tag. Würden nun die Terzfelder der linken und der rechten
Seite direkt nebeneinander plaziert sein, stünden wiederum Ganztöne
oder sogar Halbtöne im gleichen Resonanzraum. Aus diesem Grund werden
Pfeifen der großen Oktave, der Bassregion zwischen diese Felder gestellt.
Diese akustischen Erfahrungen
im Gepäck, kann man nun beurteilen, ob dem Entwurf eines Orgelprospektes,
also dem Gestaltungskonzept allein architektonische Aspekte zugrunde liegen
oder ebenso auch der Klang verantwortungsbewusst geplant wurde.
Der Orgelentwurf für
die Kath. Pfarrkirche Stegaurach hat mehrere Väter. Vornan stehen
die Wünsche der Kirchenmusiker und die Möglichkeiten der Gemeindekasse.
Danach folgen innernarchitektonische Anliegen, welche die klanglichen Wünsche
und Erfordernisse beinhalten. So entstand der Entwurf für den Orgelprospekt
in Zusammenarbeit mit Ihren Organisten und dem Orgelsachverständigen
der Erzdiözese, dem Förderverein Neue Orgel Stegaurach e.V.,
dem Architekten und dem Orgelbauer, wobei dann vor allem letzterer das
Instrument vertritt und klar sehen und sagen muss, was man mit einer Orgel
machen darf und was der Sache nicht dienlich ist.
Denn es geht nicht darum,
den Wunsch eines Einzelnen zu erfüllen, sondern an dem ganz bestimmten
Ort in diesem Kirchenraum ein klangschönes, funktionstüchtiges
Instrument zu bauen, das trotz seiner spezifischen Ausrichtung einen für
viele gültigen und möglichst überdauernden Wert hat. |
Mit
unserem ersten Entwurf versuchten wir, im Orgelkonzept einen vielfach gewünschten
„Schwellkasten“ zu integrieren. In der Folge zeigte der Orgelprospekt im
Verhältnis zu seiner Fläche relativ wenig Pfeifenwerk und viele
Orgelregister wären durch ihren Standort innerhalb des Schwellkastens
nur indirekt zu hören gewesen. Die Anregung Ihres Orgelsachverständigen
verwandelte das Schwellwerk zum Oberwerk. Dieser Gedanke fand sofort ringsherum
Zustimmung, nicht zuletzt beim Orgelbauer. So, wie das Oberwerk gestalterisch
in Erscheinung tritt, bietet es auch klanglich gegenüber dem Hauptwerk
eine präsente Balance. Der nächste Entwurf mit Oberwerk war klassisch
gegliedert und streng symmetrisch. Das rief die Stimme des Architekten
auf den Plan, der diesen großen Orgel-Baukörper, der seitlich
der Raummittelachse seinen Standort erhält, lieber ruhig gegliedert
mit ungleichem gestalterischen Gewicht sehen wollte. Dieses Anliegen war
mühelos nachzuvollziehen, und so suchten wir nun gemeinsam nach einer
Asymmetrie, welche den Klang und die Technik der Orgel nicht stört
und verschlechtert. Das Ergebnis wurde von allen an der Entscheidung Mittragenden
gern akzeptiert, ging es doch jedem, wenn auch jeweils aus anderer Perspektive,
allein um das Instrument.
Für den Bau aller Einzelteile
der neuen Orgel für die Pfarrkirche in Stegaurach wurden ausschließlich
natürliche Materialien verwendet wie: gewässertes Eichenholz
aus dem Schönbuch für das Gehäuse, die Windladen, die Mechanik
und den Balg, Kastanienholz für das Gedecktregister im Oberwerk, Fichtenholz
für die Abstrakten und die Tasten, Buchsbaum und Ebenholz für
die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für
Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Pfeifen und verschiedene Halbzeuge
wie Darmsaiten, Draht und Schrauben von Messing, Vierkant-Eisenrohr für
Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und manches andere.
In der Disposition ist erwähnt,
dass einige Register der neuen Orgel aus Burgwindheim
stammen. Diese hatte Orgelbauer Josef Bittner aus Eichstett 1909 samt einer
neuen Technik in ein barockes Orgelgehäuse eingebaut. Bittner war
ein sehr erfahrener Orgelbauer. Er arbeitete mit gutem Material, weshalb
es lohnend war, einen ausgesuchten Teil dieses Pfeifenwerks durch den Einbau
in die neue Stegauracher Orgel zu erhalten.
Vergleicht man den Klang
alten Pfeifenwerks mit dem Klang neu gebauter Pfeifen, erlebt man immer
wieder einen Charme der betagten Stimmen, den ein neues Register in seiner
Jugend und Unreife noch nicht in der Lage ist zu entwickeln. In welcher
Weise die Zeit diese günstige Klangveränderung bewirkt, ist heute
noch nicht zu erklären. Beim Resonanzverhalten von Fichtenholz im
Geigenbau wurden mittels einer Lichtmethode Veränderungen durch Dauerbeschallung
im Material sichtbar gemacht, die sich positiv auf den Klang auswirken.
Der Klang der Orgelpfeife
wird aber nicht nur durch das Material bestimmt, sondern ebenso durch die
baulichen Maße im Labiumbereich und durch die Struktur der Kernspalte
im Mikrobereich. So ist zu vermuten, dass einmal die kräftige Wirkung
der Schallwellen das Material molekular verändern und zum anderen
eine durch den Windfluss in bestimmter Weise gesteuerte Oxidation an Kern
und Unterlabium eine Klangveränderung bewirken. Man kann auch anders
betrachtet sagen, dass es verwunderlich wäre, wenn genannte Einflüsse
keine Veränderung verursachen würden. So oft wir jedenfalls altes
Pfeifenmaterial einsetzten, wurde Klangschönheit dazugewonnen.
Alle Arbeiten wurden gänzlich
in unserer Seitzentaler Werkstatt von den Orgelbauern Manfred Zeller, Hans-Peter
Eckert, Mathias Jung, Tobias Merkle, Tudor Roberts, Thomas Dehmel, Winfried
Kirchfeld, Sebald Endner, Alexander Seyfried und Johannes Rohlf in rund
5.900 Arbeitsstunden ausgeführt.
Wir sind der Katholischen
Pfarrkirchengemeinde Stegaurach sehr dankbar und verbunden für
das geschenkte Vertrauen und wünschen sehr, daß die
neue Orgel ganz selbstverständlich in das musikalische Leben der
Gemeinde hineinwächst und es feierlich begleitet.
Johannes Rohlf, November 2005
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