Themen in der Werkstatt ROHLF
home
Festschrift Obermarchtal zur Wiederweihe am 7. Oktober 2012, herausgegeben vom Orgelbauverein Münster Obermarchtal e.V. - Klosteranlage 2/1 - 89611 Obermarchtal
Festschrift zur Orgelweihe
Die Holzhey-Orgel im Münster zu ObermarchtalDruckversion 46 kB

Grundpfeiler der Restaurierung 

Die Wiederherstellung des einzigartigen Klanges

Es ist das Schicksal vieler Orgeln, durch den sich wandelnden Zeitgeist unerbittlichen Beurteilungen ausgesetzt zu sein. Der Zeitenwandel verändert Maßstäbe und kann einen toleranten Zugang zu den Werken der Väter und Großväter verstellen. Das Erkennen und Akzeptieren einer spezifischen Ausprägung eines Musikinstruments ist beispielsweise bei der Geige oder dem modernen Klavier unproblematischer. Für die Orgel gibt es eben keine Normierungen, weshalb sie stets aus der Perspektive ihrer Zeit, ihrer heimatlichen Landschaft und des Entstehungsortes heraus gesehen werden muss, will man ihre Einzigartigkeit verstehen. Die Orgelreform um Albert Schweitzer hat dieses Denken, das authentische Instrumente für die entsprechende Orgelliteratur besitzen möchte, erkannt und gefördert. Wir lernen bis in unsere Tage hinein, dass sowohl das Alte wie das Neue nicht als Angriff auf das Bestehende zu sehen ist, sondern dass das bestehende Instrument mit Historie ein Stück unserer Musikkultur mit eigenem Wert darstellt.

Wie man die Beziehung zu einem Freund über die Akzeptanz seines Charakters aufrecht erhält, so kann auch der Zugang zu dem vorhandenen Orgelkonzept durch aktive Offenheit gegenüber dem anders gearteten Instrument hergestellt werden.

Die Orgel von Johann Nepomuk Holzhey in Obermarchtal hatte zu ihrer Zeit ein hohes Maß an Vollkommenheit und wurde ihres Klanges wegen gerühmt. Sie bot dem Organisten eine reichhaltige Palette an Klangfarben und auf den Manualen einen Tonumfang, der, aus der Zeit um 1780 heraus betrachtet, als progressiv gelten muss. Die Wiederherstellung dieser Einzigartigkeit in ihrem geschichtlichen Kontext war das Ziel dieser Restaurierungsarbeiten.

Neben dem Zurückfinden und Verfolgen der durch die Werkstatt Holzhey geübten handwerklichen Ästhetik und ihrer Manier, orgelbauspezifische Probleme zu lösen, war der wiederzugewinnende Klang dieser Orgel das eigentliche und spannende Ziel der Restaurierungsarbeit. Es ist der Weg, der uns zu neuen tiefgreifenden gegenwärtigen Erfahrungen führt, welche über den vom Gehör beurteilten Klang hinausgehen. Zusammen mit der Kunst des Orgelspielers, der Instrument und Raum erkennt und damit agiert, entsteht das Erlebnis mit Orgelklang.

Voraussetzung ist das in allen Funktionen intakte Instrument, im Einzelnen zuerst der frei atmende Wind als zentrales Medium der Orgel, dann die Bauart des Pfeifenwerks, die wohl überlegte Aufstellung des Pfeifenwerks in der Orgel, und ebenso die Art und Anlage der Tastenmechanik, also der Kontaktstelle zum Musiker.

Das Pfeifenwerk kann frei und gesund erklingen, wenn die technischen Einrichtungen zur Windversorgung jedes einzelnen Tones richtig geplant, vorbereitet und gebaut sind.
Und darin lag das Ziel der praktischen Schritte bei den Restaurierungsarbeiten, nämlich die Wiederherstellung der durch Holzhey vorgegebenen Orgel-Konstruktion, die letztlich in allen ihren Details auf die Klangerzeugung wirkt:

Das waren die Wiederherstellung in Material und Machart

  • der Bälge,
  • der Windführungen von den Bälgen zu den Windladen und weiter von den Laden zum Pfeifenwerk,
  • des ursprünglichen Zustandes der Windladen,
  • des labialen Pfeifenwerks, das mit Ausnahme der Prospektpfeifen weitgehend original erhalten ist,
  • des lingualen Pfeifenwerks, das leider völlig verloren ging,
  • des Spieltischs mit den Klaviaturen, von dem nur Gehäuseteile erhalten waren,
  • der Traktur, die in wenigen Einzelteilen vorhanden war, und
  • der Registermechanik, die weitgehend original erhalten ist.

Im noch zu erstellenden Restaurierungsbericht werden alle Arbeitsschritte, für welche insgesamt mehr als 15.500 Arbeitsstunden eingesetzt wurden, aufgelistet.

Glücklicherweise haben eine beachtliche Zahl von Holzhey-Orgeln die Zeiten gänzlich oder in Teilen überstanden, so dass durch das Studium dieser Vorgaben und durch die Kenntnisse der Organologen die ursprüngliche Gestalt der Obermarchtaler Orgel wiederhergestellt werden konnte. Festschrift zur Orgelweihe-RückseiteWenn man als Orgelbauer dann über zwei Jahre sehr hautnah mit einem Instrument aus der Hand Holzheys und seiner Gesellen umgeht, wird man unmerklich auch zu seinem Schüler. Und so, wie wir an den vorgefundenen Arbeiten unterschiedliche Handschriften der Orgelbauer aus der Werkstatt Holzheys fanden, so wird man nun auch Handschriften der Werkstatt Rohlf finden können.

Die Arbeit konnte gelingen, wie sie gelang, weil jeder Einzelne an der Wiederherstellung beteiligte und ein jeder unserer Orgelbauer-Crew mit ernsthaftem Enthusiasmus bei der Sache war.

Für uns erwächst Orgelbau und Orgelspiel aus der Betrachtung und Bewunderung unserer physischen Welt, also letztlich aus der Begeisterung an unserer Natur und der Schöpfung.


Wir sind dem Bistum und der Münstergemeinde dankbar für das geschenkte Vertrauen in die handwerkliche Leistung unserer Werkstatt, und wir wünschen Freude am restaurierten Instrument und seinem Klang bei der Liturgie und im Konzert.

Johannes Rohlf, September 2012

nach oben