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Festschrift zur Orgelweihe in St. Lamberti/Münster am 04. September 2004, herausgegeben von Michael Zywietz

Die neue Chororgel für St. Lamberti zu Münster Druckversion 45 kB

Orgel und LiturgieDas Prinzip Orgel, ein künstlich erzeugter Wind, über eine durch den Organisten gesteuerte technische Anlage zu den Pfeifen geführt, existiert seit mehr als zweitausend Jahren. Dennoch konnte sich für dieses Instrument keine allgemeingültige Ausprägung entwickeln, wie beispielsweise für die Violine oder das Klavier. Wegen der fast unendlich großen Variationsbreite für die klangliche Ausgestaltung einer Orgel, die fast immer auch etwas mit der Größe des Aufstellungsraumes zu tun hat, wird das auch künftighin nicht geschehen können. Dazu bildeten sich Typen heraus, welche ganz spezifische klangliche Aufgaben zu erfüllen haben. Das beginnt beim Portativ oder dem Organetto, einer tragbaren Orgel, welche zum Spiel auf den Schoß genommen wird, und reicht vom Regal, dem Positiv und der Kleinorgel für’s Haus über die 8- und 16-füßige Kirchenorgel bis hin zur riesenhaften symphonischen Orgel für eine Kathedrale. So alt oder jung diese Gattungen sind, haben sie alle glücklicherweise auch in unseren Tagen ihren Platz im abendländischen  Instrumentarium. 
Und die neue Chororgel für St. Lamberti in Münster ?
Da sie bewegt werden kann wie ein Möbelstück und kein eigenes Pedalregister besitzt, die Pedalklaviatur also unselbständig nur die Stimmen anspielen kann, welche auch mit den Manualtasten gespielt werden, ist sie dem Wortsinn nach ein Positiv. Allerdings ein großes Positiv mit einem Principal 4’ im Prospekt und sogar einem offenen 8-fuß Register von Kastanienholz.
In seiner Anlage entspricht die Chororgel dem auf der Titelseite des „Spiegel der Orgelmacher und Organisten“ von Arnold Schlick in Aktion dargestelltem Orgelinstrument. Ihre relativ reiche Ausstattung mit sieben Registern, darunter zwei Grundstimmen in der 8’-Lage und einem Tromboncini 8’, dazu die Teilung aller Register in „bass“ und „diskant“ macht sie verwandt mit der einmanualigen italienischen Orgel der Frescobaldizeit und ebenso mit der spanischen einmanualigen Orgel. In diesem Bereich ist sie in besonderem Maße solofähig. 

Die innenarchitektonische Eindeutigkeit von St. Lamberti legte es nahe, eine Orgel mit einem klaren, der Gotik antwortenden Äußeren zu suchen. Ein schlichter Prospekt in Ganztonaufstellung mit Basstürmen und mitraähnlichem Mittelfeld ist eine früh erprobte, klanglich günstige und zu einem gotischen Raum passende Lösung. Dieses altbekannte Bild weist zwar in’s Mittelalter, ist aber, da wir heute unter den gleichen akustischen und technischen Gesetzmäßikeiten arbeiten und musizieren wie vor 500 Jahren, immer noch zeitgemäß. So soll das Instrument nicht als Rekonstruktion verstanden werden, sondern als moderne Orgel, die aus der Tradition heraus für den Gebrauch in unseren Tagen entstand. Und meinen wir es wirklich so, dass wir der Tradition verbunden sind und aus ihr schöpfen, weil wir den herrlichen Klang historischer Instrumente schätzen, dann spielt die Materialwahl eine zentrale Rolle. Die richtigen Maße, das richtige Material zusammen mit der geübten Handwerksarbeit führen zum erstrebten klanglichen Ergebnis. Unser aller Gehör unterscheidet ein zehnfaches an Nuancen gegenüber dem Auge. Aus diesem Grund hört man auch jeden Handgriff, der zu wenig, aber auch zu viel  geleistet wurde. So können wir im Planen mit Rechnerhilfe und dem Vorbereiten mit modernen Maschinen Zeit sparen, nicht aber in der Ausarbeitung eines jeden Orgelteils, das jedes in seiner Art an der Klangentstehung beteiligt ist.

Für den Bau aller Einzelteile der neuen Chororgel wurden ausschließlich natürliche Materialien verwendet wie: gewässertes Eichenholz aus dem Schönbuch für das Gehäuse, die Windlade, die Mechanik, die Bälge, Fichten-, Birnen- und Kastanienholz für die drei Register von Holz, für die Abstrakten und die Tasten, Buchsbaum und Ebenholz für die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Metallpfeifen und verschiedene Halbzeuge wie Darmsaiten, Draht, Schrauben und Vierkantprofil von Messing für Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und Sämischleder für Polsterungen. Sie wurde gänzlich in unserer Seitzentaler Werkstatt gebaut. 

Wir sind der Kirchengemeinde von Sankt Lamberti sehr dankbar und verbunden für das geschenkte Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue Chororgel ganz selbstverständlich in das liturgische und musikalische Leben der Gemeinde hineinwächst. 

Johannes Rohlf

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