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Festschrift Mering zur Einweihung am 16. Dezember 2007, herausgegeben von der Kath. Pfarrgemeinde St. Michael, Mering
Die neue Orgel für die Katholische Pfarrkirche St. Michael in Mering Druckversion 51 kB
Festschrift zur Orgelweihe
Die spätbarocke Pfarrkirche St. Michael in Mering erhält im Jahr 2007 eine neue Orgel. Dort, wo man es erwartet, im Westen des Langhauses, das von einem weiten Tonnengwölbe überspannt wird,  befindet sich eine Empore, die auf der oberen Etage der Orgel einen genau begrenzten Standort zuweist. Sowohl in der Höhe durch die gewölbte Decke als ebenso in der Breite durch die kreisrunden Fenster der Westwand sind dem Orgelprospekt die Maße vorgegeben. In die Emporentiefe hinein aber kann sich das Instrument ausdehnen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die optisch vom Volk entrückte Orgel einen akustisch ungünstigen Standort  hat. Die Schallmessungen aber bestätigten vorausgegangene Erfahrungen mit Aufführungen auf der Orgelempore, dass die weit gespannte und nicht durch einen Gurtbogen unterbrochene Tonne der Kirchendecke für eine hervorragende Verteilung des Klangs im ganzen Kirchenraum sorgt.

In der Zeit des Kirchenbaus von St. Michael in Mering (1739 / 1779) erlebte der Orgelbau eine große Blütezeit. Akustische und konstruktive Gesetzmäßigkeiten eines Orgelkonzeptes, mit denen damals erfolgreich gearbeitet wurde, haben ihre Bedeutung nicht verloren und gelten heute gleichermaßen. Man lernte, mit den Formen und unterschiedlichen Klangspektren der Orgelpfeifen gekonnt umzugehen und bei wachsendem Tonumfang und sich vergrößernder Registerzahl in den Maßen (Mensuren) vorteilhafte Relationen von Ton zu Ton zu finden. Man wusste, dass Orgelpfeifen mit ähnlichen Frequenzzahlen nicht nebeneinander stehen mögen und fand so bereits im 15. Jahrhundert das günstigste Organisationsprinzip der "Terzaufstellung", welches letztlich die äußere Gestalt der Orgel mitbestimmt. (Die chromatische Abfolge der Pfeifenreihe wird zunächst geteilt, sodass nicht Halbtöne nebeneinander stehen, deren Frequenzen sich beim Zusammenklingen stören, sondern Ganztöne. Diese Reihen werden nochmals geteilt. Nun befinden sich die Pfeifen in großen Terzen nebeneinander und begünstigen die Reinheit des wichtigen Terzintervalls).

Die Orientierung am traditionellen Orgelbau zielt auf Fülle im Klang und auf Charakter der Einzelstimmen, dazu auf sensible Funktion und Dauerhaftigkeit der Technik. Wir Orgelbauer beschreiben die Erwartung an den Klang der einzelnen Stimme, des einzelnen Registers, anders als der Orgelspieler. Dieser sieht die Klangfarbe, die Biegsamkeit, die Sanglichkeit und die Mischungsfähigkeit des Orgelregisters im Zusammenhang mit der Orgelliteratur vom 15. / 16. Jahrhundert bis in unsere Tage hinein. Neue Kompositionen wurden jeweils auf immer wieder anders konzipierten Orgeln verwirklicht. Die Interpretation einer Komposition steht im Zentrum des Geschehens, und deshalb sind die Gespräche und ist der Erfahrungsaustausch zwischen Musiker und Orgelbauer im Vorfeld der Orgelplanung eine fundamentale Strecke des Weges zum Gelingen des Orgelklangs.

Den angestrebten Gesamtklang aufmerksam im Visier, müssen wir Orgelbauer dagegen die Charakteristik des Registers aus Einzeltönen zusammensetzen, welche jeder für sich aus dem Einschwingvorgang, dem stationären Ton und der Absprache bestehen, beeinflusst durch die Funktionscharakteristik der "Traktur", also der Eigenart der Tastenmechanik. Register, die miteinander klingen sollen, müssen in den Maßen und der Bauart aufeinander bezogen sein. Die Ordnung der Register im Orgelinneren folgt sowohl akustischen Geschichtspunkten als auch dem wichtigen Zugang zum Pfeifenwerk bei der Orgelpflege.

Es handelt sich also um sehr viele Wirkungsgrößen, die alle miteinander den spezifischen Klangcharakter der Orgel bilden. Orgelklang kreieren, im Allgemeinen spricht man von Intonation, beginnt also bei den gemeinsamen Überlegungen zur Orgeldisposition mit den Organisten, setzt sich fort in der Planung des Pfeifenwerks in Maßen, Bauart und Material, dem Zuweisen des Standorts der Pfeifen im Orgelinneren, der handwerklichen Herstellung der Holz-, Metall- und Zungen-Pfeifen, der in jeder Weise richtig dimensionierten Technik für die Windführung und Handhabung der Ventile und schließlich der klanglichen Ausarbeitung bis zur letzten Justierung der Tonhöhe jeder einzelnen Pfeife. Je genauer mit den Vorarbeiten und dem Bau die günstigsten Maße im Mikrobereich jedes Handgriffs erreicht werden, umso gesünder und freier verlässt nach getaner Arbeit der Klang die Orgel.

Für den wunderbaren Raum von St. Michael in Mering treffende Proportionen, Gliederungen und Ausstattung der neuen Orgel zu erarbeiten, war eine besondere Freude, ließ doch von Anfang an das Engagement aller beteiligten Entscheidungsträger und die künftige erlesene Umgebung der neuen Orgel ein besonderes Ergebnis erwarten. Die Konzeption der neuen Orgel erwächst bewusst aus der Tradition des Handwerks, wobei die Ausgestaltung im Detail durchaus den Geist des Baujahres 2007 verrät.

Für die Herstellung aller Einzelteile der neuen Orgel für St. Michael mit ihren insgesamt 1922 Pfeifen,  wurden ausschließlich natürliche Materialien verwendet, wie Eichenholz aus dem Schönbuch für das Gehäuse, die Windladen, die Mechanik, die Bälge und für Holzpfeifen, Fichtenholz für große Holzpfeifen und für die Manualtasten und Abstrakten, Buchsbaum und Ebenholz für die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Metallpfeifen und verschiedene Halbzeuge wie Darmsaiten, Draht und Schrauben von Messing, Vierkant-Eisenrohr für Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und manches andere. Sie wurde in unsrer Seitzentaler Werkstatt von den Orgelbauern Mathias Jung, Manfred Zeller, Tobias Merkle, Tudor Roberts, Thomas Dehmel, Winfried Kirchfeld, Setsue Yamano, Alexander Seyfried, Jerome Veenendaal und Johannes Rohlf in rund 9.550 Arbeitsstunden gebaut. Elisabeth Rohlf pflegte mit offenem Haus und Zuwendung im Gespräch den Kontakt nach außen. 

Wir sind der Kath. Kirchengemeinde St. Michael dankbar und verbunden für das in uns gesetzte Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue Orgel im Aufgabenbereich der Kirchengemeinde ganz selbstverständlich ihren Platz findet, gern zum Klingen gebracht wird und den Gottesdienst, die Liturgie und das Kirchenkonzert feierlich bereichert. 
 

Johannes Rohlf, Dezember 2007
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