Die spätbarocke Pfarrkirche
St. Michael in Mering erhält im Jahr 2007 eine neue Orgel.
Dort, wo man es erwartet, im Westen des Langhauses, das von einem weiten
Tonnengwölbe überspannt wird, befindet sich eine Empore,
die auf der oberen Etage der Orgel einen genau begrenzten Standort zuweist.
Sowohl in der Höhe durch die gewölbte Decke als ebenso in der
Breite durch die kreisrunden Fenster der Westwand sind dem Orgelprospekt
die Maße vorgegeben. In die Emporentiefe hinein aber kann sich das
Instrument ausdehnen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass
die optisch vom Volk entrückte Orgel einen akustisch ungünstigen
Standort hat. Die Schallmessungen aber bestätigten vorausgegangene
Erfahrungen mit Aufführungen auf der Orgelempore, dass die weit gespannte
und nicht durch einen Gurtbogen unterbrochene Tonne der Kirchendecke für
eine hervorragende Verteilung des Klangs im ganzen Kirchenraum sorgt.
In der Zeit des Kirchenbaus
von St. Michael in Mering (1739 / 1779) erlebte der Orgelbau eine große
Blütezeit. Akustische und konstruktive Gesetzmäßigkeiten
eines Orgelkonzeptes, mit denen damals erfolgreich gearbeitet wurde, haben
ihre Bedeutung nicht verloren und gelten heute gleichermaßen. Man
lernte, mit den Formen und unterschiedlichen Klangspektren der Orgelpfeifen
gekonnt umzugehen und bei wachsendem Tonumfang und sich vergrößernder
Registerzahl in den Maßen (Mensuren) vorteilhafte Relationen von
Ton zu Ton zu finden. Man wusste, dass Orgelpfeifen mit ähnlichen
Frequenzzahlen nicht nebeneinander stehen mögen und fand so bereits
im 15. Jahrhundert das günstigste Organisationsprinzip der "Terzaufstellung",
welches letztlich die äußere Gestalt der Orgel mitbestimmt.
(Die chromatische Abfolge der Pfeifenreihe wird zunächst geteilt,
sodass nicht Halbtöne nebeneinander stehen, deren Frequenzen sich
beim Zusammenklingen stören, sondern Ganztöne. Diese Reihen
werden nochmals geteilt. Nun befinden sich die Pfeifen in großen
Terzen nebeneinander und begünstigen die Reinheit des wichtigen Terzintervalls).
Die Orientierung
am traditionellen Orgelbau zielt auf Fülle im Klang und auf Charakter
der Einzelstimmen, dazu auf sensible Funktion und Dauerhaftigkeit der Technik.
Wir Orgelbauer beschreiben die Erwartung an den Klang der einzelnen Stimme,
des einzelnen Registers, anders als der Orgelspieler. Dieser sieht die
Klangfarbe, die Biegsamkeit, die Sanglichkeit und die Mischungsfähigkeit
des Orgelregisters im Zusammenhang mit der Orgelliteratur vom 15. / 16.
Jahrhundert bis in unsere Tage hinein. Neue Kompositionen wurden jeweils
auf immer wieder anders konzipierten Orgeln verwirklicht. Die Interpretation
einer Komposition steht im Zentrum des Geschehens, und deshalb sind die
Gespräche und ist der Erfahrungsaustausch zwischen Musiker und Orgelbauer
im Vorfeld der Orgelplanung eine fundamentale Strecke des Weges zum Gelingen
des Orgelklangs.
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Den
angestrebten Gesamtklang aufmerksam im Visier, müssen wir
Orgelbauer dagegen die Charakteristik des Registers aus Einzeltönen
zusammensetzen, welche jeder für sich aus dem Einschwingvorgang, dem
stationären Ton und der Absprache bestehen, beeinflusst durch die
Funktionscharakteristik der "Traktur", also der Eigenart der Tastenmechanik.
Register, die miteinander klingen sollen, müssen in den Maßen
und der Bauart aufeinander bezogen sein. Die Ordnung der Register im Orgelinneren
folgt sowohl akustischen Geschichtspunkten als auch dem wichtigen Zugang
zum Pfeifenwerk bei der Orgelpflege.
Es handelt sich also
um sehr viele Wirkungsgrößen, die alle miteinander den spezifischen
Klangcharakter der Orgel bilden. Orgelklang kreieren, im Allgemeinen spricht
man von Intonation, beginnt also bei den gemeinsamen Überlegungen
zur Orgeldisposition mit den Organisten, setzt sich fort in der Planung
des Pfeifenwerks in Maßen, Bauart und Material, dem Zuweisen des
Standorts der Pfeifen im Orgelinneren, der handwerklichen Herstellung der
Holz-, Metall- und Zungen-Pfeifen, der in jeder Weise richtig dimensionierten
Technik für die Windführung und Handhabung der Ventile und schließlich
der klanglichen Ausarbeitung bis zur letzten Justierung der Tonhöhe
jeder einzelnen Pfeife. Je genauer mit den Vorarbeiten und dem Bau die
günstigsten Maße im Mikrobereich jedes Handgriffs erreicht werden,
umso gesünder und freier verlässt nach getaner Arbeit der Klang
die Orgel.
Für den wunderbaren
Raum von St. Michael in Mering treffende Proportionen, Gliederungen
und Ausstattung der neuen Orgel zu erarbeiten, war eine besondere Freude,
ließ doch von Anfang an das Engagement aller beteiligten Entscheidungsträger
und die künftige erlesene Umgebung der neuen Orgel ein besonderes
Ergebnis erwarten. Die Konzeption der neuen Orgel erwächst bewusst
aus der Tradition des Handwerks, wobei die Ausgestaltung im Detail durchaus
den Geist des Baujahres 2007 verrät.
Für die Herstellung
aller Einzelteile der neuen Orgel für
St. Michael mit ihren insgesamt 1922 Pfeifen, wurden ausschließlich
natürliche Materialien verwendet, wie Eichenholz aus dem Schönbuch
für das Gehäuse, die Windladen, die Mechanik, die Bälge
und für Holzpfeifen, Fichtenholz für große Holzpfeifen
und für die Manualtasten und Abstrakten, Buchsbaum und Ebenholz für
die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für
Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Metallpfeifen und verschiedene
Halbzeuge wie Darmsaiten, Draht und Schrauben von Messing, Vierkant-Eisenrohr
für Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und manches andere.
Sie wurde in unsrer Seitzentaler Werkstatt von den Orgelbauern Mathias
Jung, Manfred Zeller, Tobias Merkle, Tudor Roberts, Thomas Dehmel, Winfried
Kirchfeld, Setsue Yamano, Alexander Seyfried, Jerome Veenendaal und Johannes
Rohlf in rund 9.550 Arbeitsstunden gebaut. Elisabeth Rohlf pflegte mit
offenem Haus und Zuwendung im Gespräch den Kontakt nach außen.
Wir sind der Kath.
Kirchengemeinde St. Michael dankbar und verbunden für das in uns
gesetzte Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue Orgel im
Aufgabenbereich der Kirchengemeinde ganz selbstverständlich ihren
Platz findet, gern zum Klingen gebracht wird und den Gottesdienst, die
Liturgie und das Kirchenkonzert feierlich bereichert.
Johannes Rohlf, Dezember
2007
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