Themen in der Werkstatt ROHLF
home
Festschrift Dürrn zur Einweihung am 3. Dezember 2000, herausgegeben von der Ev. Kirchengemeinde Dürrn.

Die Orgel in DürrnDie neue Orgel für die Evangelische Kirche Druckversion 38 kB

...hat 16 Register aus 13 Pfeifenreihen.

Ein Orgelregister ist eine Pfeifenreihe, welche für jede Taste einer Klaviatur - eine der Manualklaviaturen oder der Pedalklaviatur - einen Pfeifenton bereithält. Im Manual hat ein Register in der Regel 56 (C - g³), im Pedal 30 (C - f´) Pfeifen.

Eine Orgel kann ein Register haben und ist dann z.B. ein Positiv, das zum Begleiten von Sängern oder Instrumenten benutzt wird, zehn oder auch hundert Register. Das ist möglich, weil der Orgelspieler technische Hilfen zum Betreiben der vielen Orgelpfeifen einsetzt: künstlich erzeugte Luft - in der Fachsprache Wind - eine Mechanik zum Steuern von Ventilen - Traktur und Registermechanik - und ein ausgeklügeltes Windführungssystem - Windlade -. So kann ein einziger Orgelspieler Instrumente mit gigantischen Ausmaßen erklingen lassen. Jede gedachte Orgelgröße ist realisierbar.

Die Bauart der Register unterscheidet sich um so mehr, je größer eine Orgel ist. Dennoch kann eine große Orgel niemals die kleinere ersetzen und umgekehrt. Jede Pfeifenreihe nimmt nämlich der benachbarten Resonanz- und Ausspracheraum und vergrößert die Entfernung zwischen der Schallquelle und dem Hörer. Ein einzelnes Register, frei im Raum aufgestellt, erzeugt prächtigeren Klang, als wenn es zwischen vielen anderen Pfeifenreihen aufgestellt ist. Eine nicht klingende Pfeifenreihe wirkt auf die klingende wie ein „Schallabsorber“, eine klingende entzieht der anderen Wind (Energie). Das ist der Grund, weshalb Orgeln mit geringer Registerzahl erstaunliche Präsenz und Klangfülle entwickeln können.

Ökonomie bei der Registerzahl lohnt sich also. Wie auch sonst in der Kunst verstärkt Sparsamkeit, in unserem Falle beim Gestaltungsmittel Orgelregister, die Aussagekraft des Instruments. Es ist also kein Nachteil für ein Orgelkonzept, wenn zu Gunsten der Innenarchitektur die Registerzahl und so die Ausmaße der Orgel angemessen dosiert werden. Beim Planen einer neuen Orgel steht am Anfang aller Überlegung der Raum. In dreifacher Weise bestimmt er das Orgelkonzept: Durch seine Maße, seine akustische Eigenart und durch seine Innenarchitektur.

Für die Evang Kirche in Dürrn war es zunächst ein gemeinsames Anliegen, ein kompaktes Instrument zu bauen, das möglichst geringer Grundfläche bedarf, aber die ganze Raumhöhe nutzt. So war im Orgelprospekt der Bau eines offenen 8-fuß-Registers möglich. Damit ist dann auch die Höhe vorhanden, das gedeckte 16-fuß-Register, das ja auch 8-Fuß-Länge besitzt, in das gleiche Gehäuse zu stellen. So stehen die beiden Manualwerke und das Pedal im selben Gehäuse, auf gemeinsamer Windlade und auf gleicher räumlicher Höhe. Das hat den Vorteil, dass unterschiedliche Raumtemperaturen im Höhenmaß der geheizten Kirche die Orgelstimmung nicht zu stark beeinflussen.

Mit dem Fortschreiten der Instrumentenbaugeschichte werden immer wieder neue Ufer erreicht, welche beispielsweise die Eindeutigkeit eines Instrumententyps klarer darstellen und dem Orgelspieler auch angemesseneres Bedienen des Instruments ermöglichen. Interessanterweise wird zugleich der Blick in die Vergangenheit immer schärfer und man kann besser verstehen, wie die Orgelliteratur jüngeren und älteren Datums mit dem spezifischen Orgelkonzept zusammengehört. Daraus erwächst eine begründete Orientierung. Ohne ängstlich altvertrautes buchstabengetreu wiederholen zu müssen, kann man bewährte Wege beschreiten und dennoch jedem Instrument seinen eigenen Charakter angedeihen lassen.

Aus diesem Geist heraus ist auch die neue Orgel für die Evang. Kirche in Dürrn entstanden. Mit ihren 13 Pfeifenreihen ist sie keine große Orgel. Dennoch hat sie Ausmaße einer mittleren Kirchenorgel, weil das Hauptregister, das in der Front steht, im „Prospekt“, ein Prinzipal 8’ ist (genannt Suavial), d.h. die größte Pfeife des Registers (groß C) ist acht Fuß lang (8 x 30 cm gleich 2,40 m). Dieses Register bestimmte die Ausmaße des Gehäuses mit, in welchem weitere Principalregister des „Hauptwerks“ stehen, einschließlich einer Mixtur (die pro Ton zwei bis drei Pfeifen in Quintabstand besitzt), ein Gedackt 8’ von Eichenholz und dazu der Bordun 16’.

Stehen Pfeifen zweier unterschiedlicher Werke, wie in unserem Fall vom Hauptwerk und vom Pedal, in demselben Gehäuse, auf einer gemeinsamen Windlade, beherbergt letztere auch die Ventile beider Werke. Damit ist eine Voraussetzung dafür gegeben, die Register des Hauptwerks ohne den Einsatz der Pedalkoppel (also mittels Transmission) auch im Pedal frei verfügbar zu haben. 
Auch die Register des zweiten Manuals stehen auf der gemeinsamen Windlade. Neben den Grundstimmen, Rohrflöte 8’ und Blockflöte 4’ sind es vor allem Farbregister. Die Quint, Terz und Hohlflöte, und dazu eine Trompete 8´. Ein Kanaltremulant erzeugt über eine schwingende Klappe im Windkanal einen Tremoloeffekt.

So ist dieses Instrument sehr ökonomisch ausgestattet. Jede einzelne Stimme wird dringend im Ensemble benötigt und die meisten sind auch solofähig. Wir schenkten jedem einzelnen Register beim Bauen und Intonieren ungeteilte Zuwendung, damit es so klingt, dass man es immer wieder hören mag und jede Pfeife das sagt, was sie sagen möchte.
Voraussetzung für eine optimale Klanggestaltung ist auch eine sensibel reagierende Tastenmechanik, welche dem Spieler unter anderem den genauen Zeitpunkt der Ventilöffnung vermittelt.Rückseite der Festschrift
Für die Herstellung aller Einzelteile der neuen Orgel wurden ausschließlich natürliche Materialien verwendet wie: Eichenholz aus dem Schönbuch für das Gehäuse, die Windladen, die Mechanik und den Balg, Fichtenholz für die Manualtasten und die Abstrakten, Buchsbaum und Ebenholz für die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Pfeifen und verschiedene Halbzeuge wie Draht und Schrauben von Messing, Vierkant-Eisenrohr für Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und manches andere. Sie wurde, mit Ausnahme des Glockenspiels, in allen Teilen in unserer Seitzentaler Werkstatt in etwa 3.700 Arbeitsstunden gebaut.

Manfred Zeller machte das Herzstück der Orgel, welches alle Funktionen bündelt, die Windladen (auf denen die Orgelpfeifen stehen, auch die sichtbaren Pfeifen im Prospekt. Zu den Windladen hin wird der Wind aus dem Balg geleitet, wird die Tastenmechanik geführt und auch die Registermechanik). Er baute auch die Registermechanik. Hans-Peter Eckert schuf die Voraussetzung für einen gesunden, ansprechenden Klang, das Pfeifenwerk. Mathias Jung gab allen Wünschen und Ideen Maß und Zahl, indem er die Bauzeichnungen fertigte, beteiligte sich aber auch am Bau der Pfeifen, z.B. durch die Herstellung der „Kehlen“ für die Zungenstimmen.

Friedemann Seitz wendete alle handwerkliche Kunst an die einladenden Manualtasten und die unsichtbare Koppelmechanik und Traktur und führte, zusammen mit Johannes Rohlf, die Intonationsarbeiten durch. Tudor Roberts sorgte mit dem Bau der Windanlage, also dem Balg (dem Ventilatoranschluss und den Windkanälen zur Orgel), für die Seele der Orgel.

Auch das einzige Register von Holz, Gedackt 8’, stammt aus seiner Hand. Die Arbeit unseres Tobias Merkle erfreut in besonderem Maße das Auge. Er baute das Orgelgehäuse in allen Teilen, aber auch die Schallbecher der Zungenstimmen. Mathias Mebold und Marcel Frank arbeiteten vor allem an der Traktur (der Tastenmechanik). Elisabeth und Johannes Rohlf hielten den Kontakt zur Außenwelt, planten die Arbeit und verwalteten die Werkstatt.

Wir sind der Evangelischen Kirchengemeinde von Dürrn sehr dankbar und verbunden für das in uns gesetzte Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue Orgel in dem neu gestalteten Kirchenraum eine lebendige Heimat findet.
Johannes Rohlf
nach oben