Die neue Orgel der Pfarrkirche
St. Augustin in Coburg
Außen und Innen
Die äußere Gestalt
der neuen Orgel für St. Augustin ist das Abbild ihres Innenlebens.
Natürlich erhielt sie kein alltägliches Gewand, sondern ein auf
ihre Umgebung zugeschnittenes, festliches Kleid. Die innere Organisation
der Orgel soll im Wesentlichen dem Klang und der guten Funktion dienen,
bewerkstelligt mit natürlichen Materialien, wie das bei einem hochwertigen,
akustischen Musikinstrument zu erwarten ist. Es würde vom Wesen der
Orgel ablenken, wäre der Blick auf eine raffinierte moderne Funktionstechnik
oder ein futuristisch wirkendes Orgelgehäuse ausgerichtet. Zwar haben
sich Orgelbauer und Organisten auch früher euphorisch neuester Schalttechniken
zugewandt, z.B. Ende des 19. Jahrhunderts pneumatischen Steuerungen. Und
akustische Erfordernisse wurden und werden immer wieder durch gekünstelte
Architektur einfach ausgeklammert. Bei der neuen Orgel für St.
Augustin ging es dagegen allen an der Planung Beteiligten, der Kirchengemeinde,
den Kirchenmusikern, dem Orgelsachverständigen und den Orgelbauern
vordergründig um die beste Möglichkeit, ein Musikinstrument für
die Liturgie und die Kirchenmusik zu bauen, das alles einbezieht,
was zu solchem Projekt gehört: Die Orgelbaugeschichte bis zum heutigen
Tag, Fragen zu instrumentenbaulicher Ästhetik, zu Funktionssicherheit
und Dauerhaftigkeit, Erfordernisse, die aus den Anliegen der Kirchenmusiker
erwachsen und aus den Gegebenheiten des Aufstellungsortes und natürlich
auch den vom Bauherrn vertretenen Finanzrahmen.
Wege der Gestaltung
Es ist interessant zu betrachten,
welche Wege mit der Gestaltung des Orgeläußeren im Verlauf der
Orgelbaugeschichte beschritten wurden. So gibt es schriftliche Überlieferungen,
wie man die Orgel der Frühzeit vom 11. bis zum 13. Jahrhundert ganz
zweckmäßig zusammenbaute: Mittels Tierhäuten wie beim Dudelsack
oder mit Schmiedebälgen besorgten mehrere Menschen Orgelwind, eine
gewisse Anzahl von Flöten oder "Pfeifen" wurden der Reihe nach auf
einen Kasten, die "Windlade" gestellt und ein oder zwei Musiker bedienten
Züge oder Tasten, um den Windfluss zu den Pfeifen freizugeben. Wie
überlieferte Darstellungen zeigen, war oft an den gleichen Gerätschaften
ein Glockenspiel integriert.
Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert
wurde dieser Installation ein symmetrisches Gesicht verliehen. Dank der
Erfindung des "Wellenbrettes" mussten die Pfeifen nicht mehr in der Reihenfolge
der Tasten aufgestellt werden. Jede zweite Pfeife wurde der Reihe entnommen
und spiegelbildlich auf die andere Seite gestellt. Das ergab einen ansprechenden
Anblick. Und was mindestens ebenso vorteilhaft war: die akustischen Schwingungen
der Pfeifentöne wirkten weniger störend aufeinander. Die gotische
Orgel war geboren.
Die ideale Orgel
Nun hatte man gelernt, dass
es sowohl für den Klang als ebenso für die Tastenmechanik, die
"Traktur", günstige und ungünstige Anordnungen gibt und fragte
intensiver nach glücklichen Bauprinzipien für die Ordnung des
Pfeifenwerks und die Anlage der Traktur, zumal der Tonumfang der Klaviaturen
und die Anzahl der Pfeifenreihen, der "Register" ständig wuchs. Mit
den zu Beginn des 16. Jahrhunderts erworbenen orgelbaulichen Kenntnissen
um den Orgelwind, die Traktur, die Windladen und um die Orgelakustik kam
es jetzt zu einem ausgereiften Großinstrument, durch die in jeder
Weise sinnvoll geplante Konstruktion zugleich verständlich und schön
für das Auge. Der Orgelbau der Renaissance schenkt jedem Gewerk eine
annähernd gleichgewichtete Aufmerksamkeit, weshalb diese Instrumente
mustergültig zeigen, wie eine ideale Orgelgestalt aussehen soll.
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Vorbild
Die Orgeln wuchsen weiter
und tangierten immer massiver die Raumarchitektur. Mancherorts entstanden
Gestaltungsideen, die das Orgeläußere, den "Orgelprospekt" auflösten
und der Raumarchitektur völlig unterordneten, auch wenn dadurch die
Mechanik kompliziert wurde und das Pfeifenwerk akustisch unvorteilhaft
untergebracht werden musste. Ein Beispiel dafür ist das sicher bewundernswerte
Barock-Instrument von Joseph Gabler in Weingarten.
Unserem heutigen Verständnis
entspricht eher eine orgelgerechte Anlage, wie in der Renaissance geübt.
In diesem Geist ist die neue St. Augustin-Orgel konstruiert. Vorbild ist
ein heute noch existierendes Orgelgehäuse der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts in Old Radnor, Wales, das mit seinen in die Höhe
strebenden Fialen sichtbar der Gotik verhaftet ist, wie geschaffen für
die neogotische Kirche St. Augustin in Coburg.
Das Material
Für die Herstellung
aller Einzelteile der neuen Orgel für St. Augustin mit ihren insgesamt
1.332 Pfeifen (plus eine Blindpfeife), wurden ausschließlich
natürliche Materialien verwendet, wie Eichenholz aus dem Schönbuch
für das Gehäuse, die Windladen, die Mechanik, die Bälge
und für Holzpfeifen, Fichtenholz für große Holzpfeifen
und für die Manualtasten und Abstrakten, Buchsbaum und Ebenholz für
die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für
Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Metallpfeifen und verschiedene
Halbzeuge wie Darmsaiten, Draht und Schrauben von Messing, Vierkant-Eisenrohr
für Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und manches andere.
Mitarbeiter
Sie wurde in unsrer Seitzentaler
Werkstatt von den Orgelbauern Mathias Jung, Manfred Zeller, Hans-Peter
Eckert, Tobias Merkle, Tudor Roberts, Thomas Dehmel, Winfried Kirchfeld,
Sebald Endner, Setsue Yamano, Alexander Seyfried, Jerome Veenendaal und
Johannes Rohlf in rund 5.920 Arbeitsstunden gebaut. Elisabeth Rohlf pflegte
mit offenem Haus und Zuwendung im Gespräch den Kontakt nach außen.
Dank
Das Orgelprojekt wurde vom
amtlichen Orgelsachverständigen im Erzbistum Bamberg, Herrn Domorganist
Markus Willinger, der Organistin Gabriele Hirsch, dem Orgelförderverein
St. Augustin e.V. unter Vorsitz Herrn Dr. H.-K. Kaufners und Herrn Dekan
Pfarrer Raimund Reinwald begleitet.
Wir sind der Kath.
Kirchengemeinde St. Augustin dankbar und verbunden für das in
uns gesetzte Vertrauen und wünschen sehr, daß die
neue Orgel im Aufgabenbereich der Kirchengemeinde ganz selbstverständlich
ihren Platz findet, gern zum Klingen gebracht wird und den Gottesdienst,
die Liturgie und das Kirchenkonzert feierlich bereichert.
Johannes Rohlf
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