Themen in der Werkstatt ROHLF
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Festschrift Coburg zur Einweihung am 15. April 2007, herausgegeben vom Kath. Pfarramt St. Augustin.
Coburg, St. Augustin
Die neue Orgel der Pfarrkirche St. Augustin in CoburgDruckversion 57 kB

Außen und Innen

Die äußere Gestalt der neuen Orgel für St. Augustin ist das Abbild ihres Innenlebens. Natürlich erhielt sie kein alltägliches Gewand, sondern ein auf ihre Umgebung zugeschnittenes, festliches Kleid. Die innere Organisation der Orgel soll im Wesentlichen dem Klang und der guten Funktion dienen, bewerkstelligt mit natürlichen Materialien, wie das bei einem hochwertigen, akustischen Musikinstrument zu erwarten ist. Es würde vom Wesen der Orgel ablenken, wäre der Blick auf eine raffinierte moderne Funktionstechnik oder ein futuristisch wirkendes Orgelgehäuse ausgerichtet. Zwar haben sich Orgelbauer und Organisten auch früher euphorisch neuester Schalttechniken zugewandt, z.B. Ende des 19. Jahrhunderts pneumatischen Steuerungen. Und akustische Erfordernisse wurden und werden immer wieder durch gekünstelte Architektur  einfach ausgeklammert. Bei der neuen Orgel für St. Augustin ging es dagegen allen an der Planung Beteiligten, der Kirchengemeinde, den Kirchenmusikern, dem Orgelsachverständigen und den Orgelbauern vordergründig um die beste Möglichkeit, ein Musikinstrument für die Liturgie und die Kirchenmusik  zu bauen, das alles einbezieht, was zu solchem Projekt gehört: Die Orgelbaugeschichte bis zum heutigen Tag, Fragen zu instrumentenbaulicher Ästhetik, zu Funktionssicherheit und Dauerhaftigkeit, Erfordernisse, die aus den Anliegen der Kirchenmusiker erwachsen und aus den Gegebenheiten des Aufstellungsortes und natürlich auch den vom Bauherrn vertretenen Finanzrahmen.

Wege der Gestaltung
Es ist interessant zu betrachten, welche Wege mit der Gestaltung des Orgeläußeren im Verlauf der Orgelbaugeschichte beschritten wurden. So gibt es schriftliche Überlieferungen, wie man die Orgel der Frühzeit vom 11. bis zum 13. Jahrhundert ganz zweckmäßig zusammenbaute: Mittels Tierhäuten wie beim Dudelsack oder mit Schmiedebälgen besorgten mehrere Menschen Orgelwind, eine gewisse Anzahl von Flöten oder "Pfeifen" wurden der Reihe nach auf einen Kasten, die "Windlade" gestellt und ein oder zwei Musiker bedienten Züge oder Tasten, um den Windfluss zu den Pfeifen freizugeben. Wie überlieferte Darstellungen zeigen, war oft an den gleichen Gerätschaften ein Glockenspiel integriert.

Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert wurde dieser Installation ein symmetrisches Gesicht verliehen. Dank der Erfindung des "Wellenbrettes" mussten die Pfeifen nicht mehr in der Reihenfolge der Tasten aufgestellt werden. Jede zweite Pfeife wurde der Reihe entnommen und spiegelbildlich auf die andere Seite gestellt. Das ergab einen ansprechenden Anblick. Und was mindestens ebenso vorteilhaft war: die akustischen Schwingungen der Pfeifentöne wirkten weniger störend aufeinander. Die gotische Orgel war geboren.

Die ideale Orgel
Nun hatte man gelernt, dass es sowohl für den Klang als ebenso für die Tastenmechanik, die "Traktur", günstige und ungünstige Anordnungen gibt und fragte intensiver nach glücklichen Bauprinzipien für die Ordnung des Pfeifenwerks und die Anlage der Traktur, zumal der Tonumfang der Klaviaturen und die Anzahl der Pfeifenreihen, der "Register" ständig wuchs. Mit den zu Beginn des 16. Jahrhunderts erworbenen orgelbaulichen Kenntnissen um den Orgelwind, die Traktur, die Windladen und um die Orgelakustik kam es jetzt zu einem ausgereiften Großinstrument, durch die in jeder Weise sinnvoll geplante Konstruktion zugleich verständlich und schön für das Auge. Der Orgelbau der Renaissance schenkt jedem Gewerk eine annähernd gleichgewichtete Aufmerksamkeit, weshalb diese Instrumente mustergültig zeigen, wie eine ideale Orgelgestalt aussehen soll.

Vorbild
Die Orgeln wuchsen weiter und tangierten immer massiver die Raumarchitektur. Mancherorts entstanden Gestaltungsideen, die das Orgeläußere, den "Orgelprospekt" auflösten und der Raumarchitektur völlig unterordneten, auch wenn dadurch die Mechanik kompliziert wurde und das Pfeifenwerk akustisch unvorteilhaft untergebracht werden musste. Ein Beispiel dafür ist das sicher bewundernswerte  Barock-Instrument von Joseph Gabler in Weingarten.
Unserem heutigen Verständnis entspricht eher eine orgelgerechte Anlage, wie in der Renaissance geübt. In diesem Geist ist die neue St. Augustin-Orgel konstruiert. Vorbild ist ein heute noch existierendes Orgelgehäuse der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Old Radnor, Wales, das mit seinen in die Höhe strebenden Fialen sichtbar der Gotik verhaftet ist, wie geschaffen für die neogotische Kirche St. Augustin in Coburg.

Das Material
Für die Herstellung aller Einzelteile der neuen Orgel für St. Augustin mit ihren insgesamt 1.332 Pfeifen (plus eine Blindpfeife),  wurden ausschließlich natürliche Materialien verwendet, wie Eichenholz aus dem Schönbuch für das Gehäuse, die Windladen, die Mechanik, die Bälge und für Holzpfeifen, Fichtenholz für große Holzpfeifen und für die Manualtasten und Abstrakten, Buchsbaum und Ebenholz für die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Metallpfeifen und verschiedene Halbzeuge wie Darmsaiten, Draht und Schrauben von Messing, Vierkant-Eisenrohr für Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und manches andere.

Mitarbeiter
Sie wurde in unsrer Seitzentaler Werkstatt von den Orgelbauern Mathias Jung, Manfred Zeller, Hans-Peter Eckert, Tobias Merkle, Tudor Roberts, Thomas Dehmel, Winfried Kirchfeld, Sebald Endner, Setsue Yamano, Alexander Seyfried, Jerome Veenendaal und Johannes Rohlf in rund 5.920 Arbeitsstunden gebaut. Elisabeth Rohlf pflegte mit offenem Haus und Zuwendung im Gespräch den Kontakt nach außen.

Dank
Das Orgelprojekt wurde vom amtlichen Orgelsachverständigen im Erzbistum Bamberg, Herrn Domorganist Markus Willinger, der Organistin Gabriele Hirsch, dem Orgelförderverein St. Augustin e.V. unter Vorsitz Herrn Dr. H.-K. Kaufners und Herrn Dekan Pfarrer Raimund Reinwald begleitet.
Wir sind der Kath. Kirchengemeinde St. Augustin dankbar und verbunden für das in uns gesetzte Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue Orgel im Aufgabenbereich der Kirchengemeinde ganz selbstverständlich ihren Platz findet, gern zum Klingen gebracht wird und den Gottesdienst, die Liturgie und das Kirchenkonzert feierlich bereichert. 
Johannes Rohlf
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