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Text Amlingstadt zur Einweihung am 1. September 2013

Festschrift AmlingstadtDie neue Orgel in St. Ägidius zu Amlingstadt  Druckversion 38 kB

Wenn ich mich hier zu Wort melden darf, möchte ich gern der Kirchengemeinde St. Ägidius in Amlingstadt zunächst meine Anerkennung aussprechen für die Tatkraft, mit welcher sie sich nicht nur um Haus und Hof, sondern ebenso um das Leben in Ihrer Kirche und sogar um die Orgelfrage sorgt, dass sie den Mut und den Elan aufbrachte, mit Hilfe des Orgelfördervereins dieses Projekt zu verwirklichen.
Die neue Orgel wird den Gottesdienst festlich schmücken, und sie dient der Pflege der Kirchenmusik ebenso, wie der Orgelkultur im Allgemeinen. Darüber hinaus war sie Brot für die Orgelbauerfamilien im Seitzental.

Wir freuen uns sehr und sind Ihnen dankbar dafür, dass wir Ihnen dieses Instrument für Ihre geschichtsträchtige Kirche planen und bauen durften.
Wenn auch die Orgel als Instrumentengattung seit Jahrhunderten existiert, so konnten sich dennoch zu keiner Zeit Normierungen herausbilden, auf die man beim Planen zurückgreifen kann. Die Ansprüche an eine Orgel verändern sich, wie sich die Zeiten ändern, und das einzelne Instrument entwickelt sich immer innerhalb einer bestimmten Schule oder Landschaft. Bei der Konzeption einer neuen Orgel müssen Raum, Klang, Gestalt und Technik harmonisch aufeinander zugeführt werden, damit ein Instrument entsteht, das man gern sieht, gern hört und gern spielt, ein Instrument, das belebt und zum Singen anregt. Dies alles von Anfang an mitzubedenken und in richtige Bahnen zu lenken ist die verantwortungsvolle Aufgabe des Orgelsachverständigen, die von Domorganist Prof. Markus Willinger kenntnisreich übernommen wurde.

Ihre dem heiligen Ägidius geweihte Kirche birgt in ihren Mauern und ihrer Ausgestaltung viele geschichtliche Epochen und lässt unterschiedliche Baustile sichtbar werden, welche wir auf das Äußere der neuen Orgel einwirken ließen.  Trotzdem sollte sie in ihrer Erscheinung unsere Zeit nicht verleugnen und auch nicht verbergen, wie sie aus ihrer eigenen Geschichte heraus gewachsen ist. Es entstand eine für diesen Raum unverwechselbare, aus ihrer inneren Anlage heraus gebildete Orgelgestalt: So, wie die sichtbaren Zinnpfeifen im Orgelprospekt aufgestellt sind, nämlich in Terzabständen, so stehen sie auch im Orgelinneren. Und das Orgelgehäuse ist nicht eine beliebige Verkleidung, die nach Eichenholz aussieht, sondern notwendiges Tragwerk für Windladen, Pfeifen und Mechanik, durch und durch von gewässertem Eichenholz vom Schönbuch.

Worauf mussten wir besonders achten, um einen Klang zu erreichen, der zufrieden stimmt?
Gibt es magische Maße für das Pfeifenwerk, besonders ausgewählte Materialien oder auf verborgenen Wegen gefundene Konzepte für die innere Organisation der Orgel?

Bei der Geige z.B. vermutete man lange Zeit, dass geheimnisvolle Lacke ihre besondere Klangqualität erzeugen. Deshalb forschten im Musée de la Musique in Paris der Chemiker Jean-Philippe Echard zusammen mit dem Geigenbauer Balthazar Soulier im Jahr 2009 nach dem Geheimnis der Geigen Antonio Stradivaris. Unter Einsatz von Mikroskop und Teilchenbeschleuniger suchten sie nach vulkanischen Silikaten oder anderen Mineralisierungen. Gefunden wurden lediglich bekannte Öle, Harze und typischer Firniss, auch rote Pigmente von Eisenoxyd und der Cochenillelaus. Ergebnis: Das Geheimnis des besonderen Klanges liegt im meisterlichen Bau der Instrumente und nicht in esoterischen Rezepten für Wunder vollbringende Lacke.

Auch das Geheimnis des berührenden Orgelklanges liegt im meisterlich gebauten Instrument und nicht im Zauber der Hände des Intonateurs! Die Klanggestaltung beginnt also bei den ersten Gedanken zur richtig verstandenen Konzeption „Instrument - Raum“ und führt über die kontrollierte handwerkliche Ausführung der technischen Seite und des Pfeifenwerks, den konzeptionellen Weg nicht verlassend, bis zur letzten Ausrichtung der Labien und Längen jeder einzelnen Pfeife. Der Intonateur ist machtlos, wenn er fehlerhafte Vorgaben findet, und der erfahrene Orgelbauer wird nicht hören, welche klanglichen Möglichkeiten in seinen Vorgaben schlummern, wenn der Intonateur den vorgezeichneten Weg verlässt. Deshalb: Intonieren heißt immer auch Orgeln bauen - das Beherrschen aller Gewerke!

Jeder einzelne Orgelbauer trägt zum Gelingen bei. Am heutigen, festlichen Tag können nicht alle Mitarbeiter unserer Werkstatt da sein, ich möchte aber jeden mit Namen nennen, der am Bau dieser Orgel beteiligt war: Das sind Orgelbaumeister Mathias Jung als erfahrener Konstrukteur, Orgelbauer Alexander Seyfried, der mit seinen zwei Händen dieses schöne Orgelgehäuse baute,
Orgelbaumeister Winfried Puschmann, der die Labialpfeifen baute undFestschrift Amlingstadt Rückseite wesentliche klangliche Arbeiten ausführte. Weiter waren am Orgelbau beteiligt Orgelbaumeisterin Setsue Yamano, die auch Metallpfeifen baute, Wellenbretter für die Traktur, Pedalklaviatur und Orgelbank und auch intonierte, Orgelbaumeister Thomas Dehmel, Ratgeber für alle, - der unter vielem anderen die schönen Manual-Klaviaturen baute, die Koppeln, die Traktur und die Register-Mechanik, Orgelbaumeister Tobias Merkle baute die Windladen, die Zungenstimmen und intonierte diese auch und Orgelbauer Tudor Roberts baute die wunderschönen Holzpfeifen, die Windanlage mit dem Balg und drechselte die Registerknöpfe.

Wir sind der Kirchengemeinde von St. Ägidius in Amlingstadt und Herrn Pfarrer und Dekan Reinsch dankbar und verbunden, dass wir mit dieser Arbeit betraut wurden. Wir haben mit Freude daran gearbeitet und im Bewusstsein, selten so glückliche Voraussetzungen für einen Orgelneubau vorgefunden zu haben, wie an diesem Ort.

Wir wünschen Freude am Instrument und den Organisten immer den gekonnten Griff nach den richtigen Registern.
Johannes Rohlf


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