Die neue Orgel in St. Ägidius zu Amlingstadt
Wenn ich mich hier zu Wort
melden darf, möchte ich gern der Kirchengemeinde St. Ägidius in
Amlingstadt zunächst meine Anerkennung aussprechen für die Tatkraft,
mit welcher sie sich nicht nur um Haus und Hof, sondern ebenso um das
Leben in Ihrer Kirche und sogar um die Orgelfrage sorgt, dass sie den
Mut und den Elan aufbrachte, mit Hilfe des Orgelfördervereins dieses
Projekt zu verwirklichen.
Die neue Orgel wird den Gottesdienst
festlich schmücken, und sie dient der Pflege der Kirchenmusik ebenso,
wie der Orgelkultur im Allgemeinen. Darüber hinaus war sie Brot für die
Orgelbauerfamilien im Seitzental.
Wir freuen uns sehr und sind
Ihnen dankbar dafür, dass wir Ihnen dieses Instrument für Ihre
geschichtsträchtige Kirche planen und bauen durften.
Wenn auch die
Orgel als Instrumentengattung seit Jahrhunderten existiert, so konnten
sich dennoch zu keiner Zeit Normierungen herausbilden, auf die man beim
Planen zurückgreifen kann. Die Ansprüche an eine Orgel verändern sich,
wie sich die Zeiten ändern, und das einzelne Instrument entwickelt sich
immer innerhalb einer bestimmten Schule oder Landschaft. Bei der
Konzeption einer neuen Orgel müssen Raum, Klang, Gestalt und Technik
harmonisch aufeinander zugeführt werden, damit ein Instrument entsteht,
das man gern sieht, gern hört und gern spielt, ein Instrument, das
belebt und zum Singen anregt. Dies alles von Anfang an mitzubedenken
und in richtige Bahnen zu lenken ist die verantwortungsvolle Aufgabe
des Orgelsachverständigen, die von Domorganist Prof. Markus Willinger
kenntnisreich übernommen wurde.
Ihre dem heiligen Ägidius
geweihte Kirche birgt in ihren Mauern und ihrer Ausgestaltung viele
geschichtliche Epochen und lässt unterschiedliche Baustile sichtbar
werden, welche wir auf das Äußere der neuen Orgel einwirken ließen.
Trotzdem sollte sie in ihrer Erscheinung unsere Zeit nicht verleugnen
und auch nicht verbergen, wie sie aus ihrer eigenen Geschichte heraus
gewachsen ist. Es entstand eine für diesen Raum unverwechselbare, aus
ihrer inneren Anlage heraus gebildete Orgelgestalt: So, wie die
sichtbaren Zinnpfeifen im Orgelprospekt aufgestellt sind, nämlich in
Terzabständen, so stehen sie auch im Orgelinneren. Und das Orgelgehäuse
ist nicht eine beliebige Verkleidung, die nach Eichenholz aussieht,
sondern notwendiges Tragwerk für Windladen, Pfeifen und Mechanik, durch
und durch von gewässertem Eichenholz vom Schönbuch.
Worauf mussten wir besonders achten, um einen Klang zu erreichen, der zufrieden stimmt?
Gibt es magische Maße für das
Pfeifenwerk, besonders ausgewählte Materialien oder auf verborgenen
Wegen gefundene Konzepte für die innere Organisation der Orgel?
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Bei
der Geige z.B. vermutete man lange Zeit, dass geheimnisvolle Lacke ihre
besondere Klangqualität erzeugen. Deshalb forschten im Musée de la
Musique in Paris der Chemiker Jean-Philippe Echard zusammen mit dem
Geigenbauer Balthazar Soulier im Jahr 2009 nach dem Geheimnis der
Geigen Antonio Stradivaris. Unter Einsatz von Mikroskop und
Teilchenbeschleuniger suchten sie nach vulkanischen Silikaten oder
anderen Mineralisierungen. Gefunden wurden lediglich bekannte Öle,
Harze und typischer Firniss, auch rote Pigmente von Eisenoxyd und der
Cochenillelaus. Ergebnis: Das Geheimnis des besonderen Klanges liegt im
meisterlichen Bau der Instrumente und nicht in esoterischen Rezepten
für Wunder vollbringende Lacke.
Auch das Geheimnis des
berührenden Orgelklanges liegt im meisterlich gebauten Instrument und
nicht im Zauber der Hände des Intonateurs! Die Klanggestaltung
beginnt also bei den ersten Gedanken zur richtig verstandenen
Konzeption „Instrument - Raum“ und führt über die kontrollierte
handwerkliche Ausführung der technischen Seite und des Pfeifenwerks,
den konzeptionellen Weg nicht verlassend, bis zur letzten Ausrichtung
der Labien und Längen jeder einzelnen Pfeife. Der Intonateur ist
machtlos, wenn er fehlerhafte Vorgaben findet, und der erfahrene
Orgelbauer wird nicht hören, welche klanglichen Möglichkeiten in seinen
Vorgaben schlummern, wenn der Intonateur den vorgezeichneten Weg
verlässt. Deshalb: Intonieren heißt immer auch Orgeln bauen - das
Beherrschen aller Gewerke!
Jeder einzelne Orgelbauer trägt zum
Gelingen bei. Am heutigen, festlichen Tag können nicht alle Mitarbeiter
unserer Werkstatt da sein, ich möchte aber jeden mit Namen nennen, der
am Bau dieser Orgel beteiligt war: Das sind Orgelbaumeister Mathias
Jung als erfahrener Konstrukteur, Orgelbauer Alexander Seyfried, der
mit seinen zwei Händen dieses schöne Orgelgehäuse baute,
Orgelbaumeister Winfried Puschmann, der die Labialpfeifen baute und
wesentliche klangliche Arbeiten ausführte. Weiter waren am Orgelbau
beteiligt Orgelbaumeisterin Setsue Yamano, die auch Metallpfeifen
baute, Wellenbretter für die Traktur, Pedalklaviatur und Orgelbank und
auch intonierte, Orgelbaumeister Thomas Dehmel, Ratgeber für alle, -
der unter vielem anderen die schönen Manual-Klaviaturen baute, die
Koppeln, die Traktur und die Register-Mechanik, Orgelbaumeister Tobias
Merkle baute die Windladen, die Zungenstimmen und intonierte diese auch
und Orgelbauer Tudor Roberts baute die wunderschönen Holzpfeifen, die
Windanlage mit dem Balg und drechselte die Registerknöpfe.
Wir
sind der Kirchengemeinde von St. Ägidius in Amlingstadt und Herrn
Pfarrer und Dekan Reinsch dankbar und verbunden, dass wir mit dieser
Arbeit betraut wurden. Wir haben mit Freude daran gearbeitet und im
Bewusstsein, selten so glückliche Voraussetzungen für einen Orgelneubau
vorgefunden zu haben, wie an diesem Ort.
Wir wünschen Freude am Instrument und den Organisten immer den gekonnten Griff nach den richtigen Registern.
Johannes Rohlf
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