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Die Orgel unserer Generation
Wenn wir die Vergangenheit
der Orgelbauentwicklung betrachten, dann zeigt sich ein Bild der Stile
und Landschaften, das für den jeweiligen Ort und die jeweilige Epoche
ein recht optimales Instrument vor Augen führt. So, wie die Orgelkomposition
und der Kirchenraum sich im Laufe der Zeit wandelten, so wandelte sich
auch die Orgel. 1610 war ein anderes Instrument modern und gewünscht
als 1750.
Deutlich ist, daß
frühere Generationen stark in ihrer jeweiligen Gegenwart gelebt haben.
Das Kunstwerk, mit dem zusammen sie lebten, stammte aus der eigenen Zeit,
oder es wurde in die eigene Zeit hineinversetzt. J.S. Bach spielte nicht
einfach Vivaldi, sondern interpretierte, ja bearbeitete ihn. Sein Interesse
an fremden Stilen schlug sich z.B. nieder im „ltalienischen Konzert“ und
in der „Französischen Ouvertüre“. Gotische Kirchenräume
wurden im 18. Jahrhundert barockisiert.
Man lebte so stark
in der eigenen Zeit, daß frühere Leistungen nicht gewürdigt
werden konnten, und weil sie unmodern waren, betrachtete man sie als ungenügend
und so wurden sie sogar zerstört. Andreas und Gottfried Silbermann
haben sich nicht darauf eingelassen, alte Orgeln wieder instand zu setzen.
Die Arbeitsweise von Arp Schnitger ist hier als Ausnahme anzuführen;
denn er entwickelte Verständnis für die Instrumente früherer
Orgelbauer und übernahm manches alte Pfeifenwerk, wobei es interessant
wäre, zu erfahren, warum. In unseren Tagen wird hier ein Wandel sichtbar,
der vielleicht mit Mendelssohns Bach-Entdeckung einsetzte. Wir beginnen
zu schätzen und zu erhalten was unsere Väter und Generationen
vor uns leisteten. Wir sehen nicht mehr nur punktuell das Leben unserer
eigenen Generation. Uns interessiert die abendländische Kultur in
ihrem vielfältigen Reichtum überhaupt. Das schließt natürlich
die Frage ein, ob wir durch die Würdigung eines kulturellen Gutes
Lebendiges oder Totes verehren.
Aber warum soll
nur gelten, was in diesem Jahr oder höchstens vor zehn oder zwanzig
Jahren neu entdeckt, erfunden oder geschaffen wurde. Warum soll mein kleines
Leben, mein Tod darüber entscheiden, was „gestern“ war und „heute“
sein soll! Haben wir nicht die Pflicht, uns in einer größeren
Gesamtheit zu sehen? Wie wollen wir denn für unsere Kinder sorgen,
wenn wir nicht über unsere Generation hinaussehen? So könnte
man generell fragen, auch in bezug auf den Musikinstrumentenbau. Die Orgel
von 1590 samt der darauf gespielten Musik ist erst dreizehn Generationen
alt! Sie gehört zu uns wie eine Orgel die erst eine Generation alt
ist. Ich halte es für eine unreflektierte Floskel, wenn gesagt wird,
die Hörgewohnheiten hätten sich so verändert, daß
unsere Klangvorstellungen denen früherer Generationen entfremdet waren.
Natürlich können sich Hörgewohnheiten verändern in
dreizehn Generationen. Sie können sich auch verändern in dreizehn
Jahren oder dreizehn Tagen. Das Gehör ist erstaunlich gewöhnbar,
entwöhnbar, erziehbar und verziehbar. Es ist tragischerweise durch
Lärmentwicklung rasch zerstörbar. Aber kann sich das Ohr (und
das Auge) als Organ in dreizehn Generationen so verändern, daß
akustische (und optische) Reize aus dem eigenen Kulturkreis keine Eindrücke
mehr hinterlassen können?
Spielt heute ein
Pianist eine Mozart-Sonate auf dem Hammerflügel, dann hört man
rasch die Äußerung: „verstaubter Historist“. Ist diese aggressive
Äußerung nicht ein Beweis dafür, daß die Reize eindrucksvoll
waren? In dem geäußerten Urteil steckt darüber hinaus eine
zeitliche Einordnung. Inwieweit ich in der Lage bin, Höreindrücke
zu schätzen oder gar zu lieben, hängt von der Erziehung meines
Gehörs ab.
Wie sollte man
lieben können, was man nicht kennt? Das betrifft alte und neue Musik
zugleich.
Ein Kulturgut,
das erst sieben Generationen alt ist, muß gepflegt werden, will man
es nicht verlieren. Es muß gepflegt werden wie Leistungen der eigenen
Generation, was beinhaltet, daß Bach auf dem Synthesizer und Ligeti
auf der Schleifladenorgel gespielt wird. Und wir werden sehr wohl dazu
in der Lage sein, zu hören, wenn sich das Herz zum Herzen findet!
Aber wie sieht
denn die Orgel unserer eigenen Generation aus? Abgesehen von sehr wenigen
Beispielen, die mit Verstand und Wissen gebaut werden, hat die landläufig
moderne Orgel eine mechanische Tastentraktur, eine elektronische Registersteuerung
mit einer Vielzahl von Setzerkombinationen, und das alles ist in ein Gehäuse
eingebaut, das so ähnlich aussieht wie eine Kopie einer historischen
Orgel, an irgendeiner Stelle - meist auch noch im historisierenden Prospekt
sichtbar - versehen mit Schwellrippen. Die Pläne für diese Orgel
stammen meist vom Orgelbauer, Spieltisch, Mechanikteile und Pfeifenwerk
kommen von Zulieferfirmen. Der Orgelbauer selbst baut - meist - die Windladen,
oft auch das Gehäuse und er besorgt den Zusammenbau und die Intonation.
Es muß an dieser Stelle betont werden, daß unsere Orgelbauzulieferfirmen
ein sehr großes Spektrum an Angeboten haben, sehr gute Qualität
liefern können, und daß der moderne Orgelbau nicht auskommen
könnte ohne Zulieferer. Man denke nur an die pneumatisch gesteuerte
Orgel, die sehr wohl zu unserer Orgelkultur gehört und gepflegt werden
muß.
Es muß dennoch
gefragt werden, ob die so beschriebene Orgel den Aufgaben unserer Orgelkultur
und Kulturpflege gerecht werden kann. Wir vergegenwärtigen uns noch
einmal das Bild einer modernen Orgel: Das Orgelgehäuse ist gebaut
im Stil von 1780, sogar ausdrücklich aus Massivholz. Der Klang verrät
den Orgelbauer - das kann gar nicht anders sein.
Jetzt öffne
ich die Orgel, betrachte Einzelheiten im Inneren und muß mich getäuscht
fühlen. Ich sehe Pfeifenwerk aus Norddeutschland, Mechanikteile aus
Mitteldeutschland, die Registermechanik zeigt Teile aus der Kfz-lndustrie
oder Schaltungen von Elektronikfirmen, und überhaupt bietet die Materialwahl
für die Teile des Orgelinneren einen vollständigen Katalog eines
modernen Baumarktes. Ich sehe weder die Handschrift des Orgelbauers, noch
einen Hinweis auf den Stil, der von außen angekündigt wurde.
Es ist mir unbegreiflich, wie eine breite Mehrheit von Orgelkäufern
und Orgelbauern von Skandinavien bis in die Schweiz, von der Bundesrepublik
bis in die USA das Kopieren des Orgelgehäuses einschließlich
kleinster Einzelheiten des Dekors mit Perfektion betreiben und dabei das
Instrument als solches ganz aus den Augen lassen kann. Natürlich besitzt
die Orgel auch ihre optische Seite. Aber man darf wohl behaupten, daß
die primäre Aufgabe einer Orgel in ihrer Klangleistung liegt. Allein
schon durch die räumliche Ausdehnung ist freilich die Optik mit einbezogen.
Eine Orgel wird nicht als Skulptur gebaut, sondern als Musikinstrument.
Wenn ich nun ein Musikinstrument einer bestimmten Gattung kopiere, zu kopieren
versuche, und dies auch äußerlich zeige, dann ergibt das einen
Sinn. Wenn ich aber im Äußeren ein Instrument vorführe,
das es in Wirklichkeit gar nicht ist, dann handelt es sich um eine Vortäuschung
falscher Tatsachen oder um eine Kuriosität.
Nun ist die Frage
wichtig, inwieweit Kopieren überhaupt möglich und zu rechtfertigen
ist.
Wenn wir uns zeitgleich
fühlen in einer um einige Generationen vergrößerten Epoche
innerhalb der abendländischen Kultur, dann müssen wir uns nicht
mit schwer definierbaren Begriffen wie Nostalgie oder Historismus auseinandersetzen.
Ganz im Gegenteil entstehen von selbst sinnvolle Aufgaben der Pflege von
Kulturgut.
Für einen
prädestinierten Ort halten wir es z.B. für sehr wertvoll, eine
Orgel im Stile der Gottfried-Silbermann-Orgel neu entstehen zu lassen.
Der Sinn solcher Arbeit liegt dann nicht darin, eine Verwechselbare Kopie
zu machen, sondern im tieferen Sinn ein Instrument dieses ausgeprägten
Stils nachzubilden, um z.B. auch Orgelliteratur möglichst authentisch
zu interpretieren, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in
Sachsen gespielt wurde. Dann geht es dabei nicht um Details des Gehäusedekors,
sondern um das Konzept als ganzes. Es geht um genaue Maße bei der
technischen Anlage und beim Pfeifenwerk. Es geht natürlich auch um
typgerechte Materialwahl und handwerkliche Ausführung. Wir haben keine
Wahl: Gottfried Silbermann lebt nicht mehr, auch seine Lebensumstände,
die letztlich Einfluß auf den Arbeitsstil und somit auf das Arbeitsergebnis
hatten, sind nicht die unseren, und unsere Werkzeuge unterscheiden sich
erheblich von den seinen.
Im Bewußtsein
dieser Tatsachen muß sich der Orgelbauer nicht hinter seiner Arbeit
verstecken. Er kann unter Einsatz seiner Erfahrung und Ideen zeigen, wie
er diesen speziellen Orgeltyp versteht. So dürfen wir etwa Gottfried
Silbermann in unseren Tagen mit einer Nachbildung würdigen, die dem
Geist des Vorbilds entspricht und trotzdem die Handschrift und Klanggebung
des Erbauers nicht verleugnet.
Ein Kopieren, das
darauf abzielt, ein verwechselbares Duplikat zu schaffen, ist immer zum
Scheitern verurteilt, denn die Palette der Faktoren, die das Original als
solches bestimmen, ist fast unendlich groß, und sie wird zum Schluß
stets echt von unecht unterscheiden. Die Echtheit einer Kopie kann für
den Nachbildner allein im Geist des Konzepts liegen, und die Echtheit der
Nachbildung liegt darin, daß sie als solche erkennbar ist.
Warum wird das
Kopieren von früheren Orgelinstrumenten eine immer bedeutendere Rolle
spielen?
Entgegen anderslautender
Prognosen, die die Orgel noch für weiter entwicklungsfähig halten
- unter Hinweis z.B. auf elektronische Speichereinrichtungen, und übersehend,
daß die modernste Orgel eben dann ein elektronisches Gerät ist
- läßt sich behaupten, daß die Entwicklung der Orgelbaugeschichte
in unseren Tagen als abgeschlossen zu betrachten ist. Letzte Entwicklungsstadien
waren etwa der Bau von sehr hoch liegenden Aliquotregistern und die Erfindung
des Windladenbalges. Diese Neuerungen haben den Orgelklang nicht bereichern
können, sie haben aber Grenzen der sinnvollen Entwicklungsmöglichkeit
deutlich gemacht.
Der künftige
Orgelbau wird sich vor allem um die Aufarbeitung der eigenen Geschichte
kümmern müssen, also im weitesten Sinne Pflege der abendländischen
Orgelkultur betreiben müssen.
Nun ist Orgelkultur
undenkbar ohne Gottesdienst, ohne Messe. Die Orgel erfährt ihre Existenz
durch ihren Dienst am Kult. Deshalb ist die Zukunft des Orgelbaus im Zusammenhang
mit seiner künftigen Aufgabe innerhalb des Gottesdienstes zu sehen.
Ein wichtiger Teil dieser Aufgaben ist die Begleitung der Gemeinde im liturgischen
Vollzug und bei Chorälen. Man erwartet zu Recht, auf der Orgel die
Choralsätze spielen zu können; sie muß Anreiz bieten für
die Vielfalt des gottesdienstlichen Orgelspiels, für die kunstvolle
Improvisation. Sie muß qualitativ hochstehende Möglichkeiten
für das Orgelkonzert bereitstellen, wobei Qualität immer auch
notwendige Vielfalt einschließt. Im Konzert kann der Organist frei
gestalten, sein „Repertoire“ einsetzen. In der Regel stammt das Repertoire
des Organisten aus festgefügten Unterrichtsstrukturen an Kirchenmusikschulen
und Musikhochschulen. Grundsätzlich wird dort Literatur aller Stilepochen
erarbeitet. Aber meist wird das Verhältnis von Orgelliteratur und
zugehöriger Orgel übersehen. Wie soll ein Organist z.B. auf seine
zukünftige Arbeit vorbereitet werden wenn er auf einer mitteltönig
gestimmten Orgel von 1630 Gottesdienst und Konzert bestreiten soll, eine
Orgel dieses Typs im Ausbildungsinstitut aber nicht vorhanden ist. Ohne
Zweifel werden durch Restaurierung und Nachbildung vielfältige Orgeltypen
Einzug halten in unsere Kirchenräume, obwohl die Stereotypisierung
bei Neubauten schon erschreckend weit gediehen ist. Auch an den Ausbildungsstätten
muß dieser wachsende Prozeß des Verständnisses für
charakteristische Orgeltypen gesehen werden, der die Orgelwelt bunter machen
wird, aber der Zuwendung aller Beteiligten bedarf.
Verwandt mit der
Problematik des Kopierens ist der Bereich der Restaurierung.
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Die Restaurierung historischer Orgeln
Virulente Probleme
beim Restaurieren treten dort zutage, wo es um den Ersatz verlorengegangener
Orgelteile geht.
Restaurieren ist
im weitesten Sinne aktives Erhalten von Kulturgut. Erhalten ist das Gegenteil
von Zerstören, als aktive Tätigkeit also gleichzusetzen mit „Konservieren“.
In der Tat beschränkt
sich in weiten Bereichen der Kulturpflege das Restaurieren auf Konservierungsarbeiten.
Bei der Skulptur ist das alt geübte Praxis, und wir betrachten ein
Torso ebenso als Kunstwerk wie eine vollständig erhaltene Plastik.
Beim Gemälde wurde üblicherweise nicht nur gereinigt und konserviert,
sondern auch ergänzt. Bis in unsere Tage hinein wurde dies auch beim
Musikinstrument so gehalten. Man denkt aber weiter und findet, daß
diese Praxis heute nur selten noch vertretbar ist. Beim Ergänzen aber
muß immer Anschluß und Verbindung gesucht werden zwischen dem
Original und dem nachgebildeten Teil, und dabei müssen in den allermeisten
Fällen Späne fallen, mit anderen Worten: es geht originale Substanz
verloren. In staatlichen Museen geht man deshalb dazu über, originale
Teile der Musikinstrumente zu konservieren, sofern aber Bauteile verloren
gingen, einen funktionstüchtigen Zustand des Instruments nicht mehr
anzustreben. Wird zu Zwecken des Studiums oder der Demonstration dennoch
die Funktionstüchtigkeit benötigt, dann wird eine Kopie gefertigt,
an der, für das Original schadlos, ergänzt werden kann. Das ist
eine wünschenswerte Technik, die dort vom Steuerzahler zur Erhaltung
seines Kulturguts getragen wird. Unsere historischen Orgeln werden hoffentlich
in den Kirchenräumen stehen bleiben und nicht im Museum landen. Denn
Orgelklang, der uns erfreut, gibt es nur im Zusammenwirken von Instrument
und Raum.
Seit Jahrzehnten
gibt es gut durchgearbeitete Restaurierungsanweisungen für historische
Orgeln, und sie überbieten sich fast mit scheinbar idealen Rezepten
zur Erhaltung originaler Zustände. Wollte man alle Ratschläge
streng befolgen, dann würden wir heute ein Heer hinkender und stotternder
historischer Orgeln besitzen. Sektierertum, Kurzsichtigkeit und Übersehen
von Realitäten sind schlechte Ratgeber.
Die
andere Seite muß aber auch gesehen werden: Die volle Würdigung
der Orgel unserer Väter setzt erst in unserer Generation ein. Wir
haben schlimme Sünden erlebt und erleben sie leider immer noch, indem
unreflektiert und respektlos Teile wertvoller Orgeln zerstört werden
in dem Glauben, es handele sich um unmoderne, überlebte Einrichtungen.
Was die Frage der
richtigen Restaurierung einer wertvollen Orgel betrifft, so werden wir
sie nicht mit extremen einseitigen Ratschlägen beantworten können.
Wir erhalten eine Orgel weder dadurch, daß wir sie immer neu einem
gewandelten Zeitgeschmack anpassen, noch dadurch, daß wir sie in
dem Zustand belassen, der einem sterbenden Wrack gleicht.
Eine Orgel bleibt
nur dann erhalten, wenn ihre Existenz geschätzt ist: Sie muß
gut funktionieren, schön klingen, schmuck aussehen und im Gottesdienst
und zum sonstigen Spiel aus Freude benötigt sein. Dann wird sie gewollt
sein und man wird sie zu erhalten suchen.
Also muß
eine Restaurierung sich an diesen Tatbeständen orientieren. Das heißt:
Ich muß als Orgelbauer auch ergänzen, und es werden Späne
fallen. Ich muß mein Gewissen befragen, um historische Substanz optimal
zu schützen. Darin muß jeder Orgelbauer seinen eigenen Weg finden.
Es ist klar, daß bei einer Orgelrestaurierung pauschale Konzepte
nur ein Stück weit helfen; Detailfragen müssen am Einzelobjekt
entschieden werden. Die beste Restaurierung ist die, welche die Orgel am
begehrenswertesten macht.
Die Anfechtbarkeit
eines Restaurierungskonzeptes ist somit vorprogrammiert. Sicher wird nicht
ein einzelner - Sachverständiger, Organist, Orgelbauer - wichtige
Fragen allein entscheiden dürfen. Zum Schluß kann aber immer
nur ein einziger Weg beschritten werden zu dem es stets auch eine Alternative
geben wird. Kritik an einer vollzogenen Orgelrestaurierung muß deshalb,
soll sie glaubwürdig sein, von mitdenkendem, tolerantem Verständnis
getragen werden. Auch dann, wenn die technische und klangliche Ausstattung
der Orgel im Lauf der Geschichte in allen vernünftigen Möglichkeiten
durchgespielt ist, die Orgelentwicklung ausgereift ist, wird trotzdem jede
Orgel wieder anders aussehen. Es ist eines ihrer Merkmale, daß sich
eine Orgel von der anderen durch ihre Gestalt und ihre Ausstattung in einer
Ausprägung unterscheidet, wie das bei keiner anderen Musikinstrumentengattung
vorkommt.
Spielt für
die Güte eines jeden Musikinstruments die handwerkliche Ausarbeitung
eine Rolle, dann umso mehr bei der Orgel. Das Musikinstrument ist eine
Art Sprachrohr. Der Mensch benutzt es wie ein Stück seiner selbst
zur Verdeutlichung einer Aussage. Er kann es umso besser gebrauchen, je
menschlicher und natürlicher es ist. So wird jeder Versuch, eine Orgel
abseits natürlicher Gegebenheiten zu bauen, Unbehagen verursachen.
Da kann dem Orgelbauer weder Kunstgewerbe noch Serienfertigung helfen.
Er muß sich dem Eigenleben des natürlichen Materials und der
Mühe des Handwerks aussetzen. So wird er am ehesten dem Musikinstrument
Orgel gerecht.
Johannes
Rohlf
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