Themen in der Werkstatt ROHLF
Die Gliederung eines Orgelprospekts
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Die architektonische Wirkung eines Orgelprospekts wird wesentlich geprägt durch die Aufstellung der sichtbaren Orgelpfeifen in der Front (im Prospekt) einer Orgel. In aller Regel handelt es sich mit diesen Orgelpfeifen um das größte Principalregister des Hauptwerks, einen Principal 8´, offene zylindrische Pfeifen von Zinn. Bei Orgeln, deren Prospekt über eine größere Fläche ausgebreitet ist, werden mehrere Werke meist unterschiedlicher Größe, also auch mehrere Principalregister unterschiedlicher Größe sichtbar, neben dem Hauptwerk z.B. das Pedal mit einem Principal 16´ und Oberwerk und Rückpositiv mit Principal 4´.

Die Art und Weise, in welcher Principalpfeifen in einen Orgelprospekt, in die Fassade einer Orgel integriert werden, wird durch akustische und technische Belange bestimmt, die einerseits strenge Vorgaben setzen, zum anderen auch gewisse Freiheiten zulassen.Lutherkirche Bayreuth
Bei einer ökonomisch gebauten Orgel sind die sichtbaren Pfeifen im Prospekt nichts anderes als die erste Pfeifenreihe von einer Vielzahl weiterer Reihen dahinter, je nach Zahl der Register auf dem entsprechenden Werk. Sie sind ein wirkliches Abbild der Pfeifenaufstellung im Orgelinneren. Und dabei spielt es eine wichtige Rolle, welche Töne nebeneinander stehen. Man stelle sich vor, was es zu bedeuten hätte, einen Platz in einem Sängerchor zu haben, und die Nachbarn singen Töne, die mit dem eigenen Gesang nichts zu tun haben - im Gegensatz zu einer Gruppe, die „uni sono“ singt und deren Klang gemeinsam schwingt.

So hat der Wohlklang einer Orgel entscheidend damit zu tun, dass bei der Pfeifenaufstellung akustische Belange berücksichtigt werden. Jede Pfeife entwickelt beim Erklingen ein intensives Schallfeld, das sich kugelförmig nach allen Richtungen ausbreitet, und dieses Schallfeld regt die Nachbarpfeife an. Lässt sie sich anregen, nützt sie der Ausbreitung des Klanges, lässt sie sich einer ungünstigen Eigenschwingung wegen nicht anregen, ist sie der Schallausbreitung hinderlich. Somit ist verständlich, dass die Ordnung der Prospektpfeifen ein Abbild der akustischen Seite einer Orgel ist.

Sie macht ebenso die Wege der Tastenmechanik sichtbar. Denn die Prospektpfeifen zeigen, wo etwa sich die Pfeifenventile befinden. Pfeifenventil und Taste sollen mit möglichst wenig Umlenkungen miteinander verbunden sein, denn eine verwinkelte Mechanik kann nicht die Präzision einer einfachen Trakturführung erlangen.
Das sind zwei Beispiele die zeigen, wie stark eine Prospektgliederung mit dem klanglichen und technischen Konzept einer Orgel verwoben ist.

Ein drittes Beispiel ist fast ebenso bedeutsam. Es Betrifft die Zuordnung des Pfeifenwerks zur Windversorgung. Im Idealfall wird das Pfeifenwerk von einer gemeinsamen „Lunge“ aus mit Wind versorgt. Ein möglichst gerader Windkanal führt von der Balganlage zum Zentrum der Orgel, zur  Windlade. Von dieser Mitte aus wird das Pfeifenwerk links und recht mit Wind versorgt. Beim Orgelspiel wird nun in unterschiedlichem Rhythmus Wind in unterschiedlichen Mengen verbraucht. Dieser Rhythmus erzeugt im Windsystem Schwingungen, welche dort am stärksten wirksam werden, wo das Windsystem endet, nämlich, den Orgelprospekt betrachtend, links und rechts außen. Stehen dort kleine sensible Pfeifen eines Flötenregisters, können diese Schwingungen störend hörbar werden. Aus diesem Grund hat die Flankierung kleiner Prospektfelder vor allem akustischen Sinn, natürlich mit optischer Wirkung.

Die Instrumentenbaugeschichte begann bei der Orgel mit einer chromatischen Anordnung der Pfeifen, wie wir sie von der Panflöte her kennen. Diese frühen Orgeln, heute wieder als Portativ oder Organetto gebaut, hatten oft nur eine Pfeifenreihe, ein Register und wurden fast nur einstimmig gespielt. Später wurde diese chromatische Reihe mit ihren Halbtonschritten geteilt, so dass die Pfeifen in Ganztönen nebeneinander standen, diatonisch. Das ist die Pfeifenaufstellung der gotischen Orgel.

Als akustisch noch günstiger hat sich erwiesen, wenn Orgelpfeifen in Terzabständen nebeneinander stehen, also z.B. c - e - gis - c oder d - fis - b (ais) - d. (Stehen Pfeifen im Halbtonabstand nebeneinander, hört man deutlich, dass sie sich reiben und sich nicht mögen. Im Quint- oder Oktavabstand verstehen sie sich so gut, dass sie miteinander schwingen, auch wenn sie einzeln gespielt unterschiedliche Tonhöhe haben - sie verstehen sich zu gut und sind dadurch schwer stimmbar). Jede vierte Pfeife einer chromatischen Reihe, also immer drei Töne je Oktav werden zueinander geordnet. Vier mal drei Töne beinhalten alle 12 Töne einer Oktav, also entstehen durch eine „Terzaufstellung“ vier sehr ähnliche Reihen. Diese vier Pfeifengruppen kann man nun zwei und zwei zusammenfassen und je eine Hälfte so spiegeln, um 180° verdrehen, dass Pyramiden entstehen, welche nun fast eine Symmetrie erzwingen. Einige Pfeifen der großen Oktave werden zu drei Gruppen geordnet, welche die pyramidalen Felder voneinander trennen und flankieren.

Diese Pfeifenaufstellung, welche sich auch an der Lutherkirchen-Orgel in Bayreuth wiederfindet, ist ein optimales Konzept, das seit dem 16. Jahrhundert bekannt ist und wegen der akustischen und technischen Vorteile zum „klassischen“ Orgelbild wurde.

Johannes Rohlf
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